Sutter's Mill

Die Spieler erleben den Aufstieg und Fall der Goldgräberstadt Coloma. Das Spiel ist dementsprechend in zwei Phasen unterteilt, Aufbau und Abbau. In der Aufbauphase kann man Goldsucher nach Coloma schicken, Einflusskarten auf die verschiedenen Gebäude spielen und in den Camps Gold schürfen. In den Abbau wechselt jeder Spieler zum selbst gewählten Zeitpunkt. Er schürft weiterhin Gold, versucht nun aber, die Goldsucher abzuziehen und Einflusskarten von den Gebäuden zu entfernen. Am Ende gibt es Siegpunkte für jede ins Spiel gebrachte und wieder entfernte Einflussphase, gespielte und nicht entfernte bringen Punkteabzug, jeder Goldchip bringt die aufgedruckten Pluspunkte und alle Goldsucher in Colona zählen Minus.                                                                                               Aufbauspiel * 2-4 Spieler ab 10 Jahren * Autor: Marco Teubner * Illustration: Harald Lieske * ca. 60 min * PHA-DE.SUT01, Phalanx, Niederlande, 2008 *** Phalanx Games * www.phalanxgames.nl  

Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:

Deutsch

Ludografische Angaben

Verlage:
Autoren:
Illustratoren:
Inventarnummer:
20075
Tags:
ess08
Kategorien:
Wirtschaft, Entwicklung/Aufbau, Sammeln
Erscheinungsjahr

2008
Spieler

2 - 4 Spieler
Alter

10 - 99 Jahren
Dauer

bis 45 Minuten

Rezension

Sutter's Mill
Tiefschürfende Erkenntnisse
 
Sutter’s Mill
 
Den Letzten beißen die Hunde
 
Den kalifornischen Goldrausch kennt die jüngere Generation
an sich ja höchstens aus den Dagobert Duck-Geschichten in Disneys „Lustigen
Taschenbüchern“. Was dort überspitzt wie ein Einfallen von Heuschrecken
dargestellt wird, die alles abgrasen, was nicht niet- und nagelfest ist und
beim Versiegen der Goldader wieder abziehen und nichts als öde Geisterstädte
zurücklassen, ist indes gar nicht so fern der Realität. Sutter’s Mill von Marco
Teubner entführt zwei bis vier Goldschürfer in das Goldgräberstädchen Coloma,
in dem es gilt, Nuggets zu fördern und die Geschäfte der Stadt mit ihren
diversen Sonderfunktionen sinnvoll zu nutzen, um der reichste Goldgräber zu
werden. Doch damit nicht genug, denn wer es versäumt, rechtzeitig sein Bündel
zu schnüren und vor dem Versiegen der Goldader die Stadt wieder zu verlassen,
muss herbe finanzielle (und personelle!) Verluste hinnehmen. Ein interessanter
Ansatz, der ein spannendes Spiel verspricht. Ob das Versprechen gehalten werden
kann, beantworten die folgenden Zeilen.
 
Two in One
Schon das Grundprinzip des zweigeteilten und jeweils nach
unterschiedlichen Regeln ablaufenden Spiels im Auf- und Abbau der Stadt ist
faszinierend und fand bislang – zumindest im Bereich der strategischen Spiele –
kaum Anwendung. Bei den Familienspielen fällt einem vielleicht noch AMIGOs „Der
Untergang von Pompeji“ ein, bei den Kinderspielen variiert momentan Kai
Haferkamp gekonnt die Prämisse, mehrere Spiele in einem zu kombinieren. Im
Bereich der komplexen Spiele scheint Sutter’s Mill also allein auf weiter Flur
und alleine darum schon einen genaueren Blick wert.
Auf gerade einmal acht großzügig bebilderten Seiten fasst
die Regel den Spielverlauf gut verständlich zusammen, wobei sogar noch genug
Platz für einen kurzen historischen Blick auf das reale Coloma bleibt, der
zugleich stimmungsvoll in die Zeit des Goldrauschs hineinversetzt. Also lassen
wir uns nicht lange bitten, denn die Goldader schlängelt sich bereits in Form
von verdeckt liegenden Goldchips durch Fluss, Hang und Gebirge und die Stadt
wartet nur darauf, von uns mit jeweils fünf eigenen Goldsucherpöppeln besiedelt
zu werden. Und damit wir auch in Coloma deutlich machen können, wer in der
Stadt das Sagen hat, sind wir zudem jeweils mit 13 Einfluss(poker)karten von 2
bis Ass ausgestattet. Mit schlappen 6 Goldnuggets als Startkapital beginnt
unsere Goldsuche im Camp am Fluss, in das wir einen unserer Goldsucher stellen.
Und schon packt uns das Goldfieber.
 
Einfacher Ablauf
Wer am Zug ist, hat genau zwei Möglichkeiten. Entweder er
sucht Gold und macht Geschäfte oder er agiert in der Stadt, um seinen Einfluss
zu mehren und dadurch die Sonderfähigkeiten der einzelnen Gebäude nutzen zu
können.
Goldsuchen ist recht einfach und kann durchgeführt werden,
solange sich mindestens ein Goldsucher im gerade aktuellen Camp befindet
(logisch). Für jeden Goldsucher, den ich aus dem Camp auf ein beliebiges
Gebäude in der Stadt setze, erhalte ich den vordersten Chip von der Goldader.
Ob dieser 1, 2, 3 oder gar 4 Nuggets zeigt, erfahre ich erst, wenn ich ihn
umdrehe. Das Schürfen und die Freude über eine hoffentlich große Ausbeute ist
hier spielmechanisch stimmig umgesetzt worden. Außerdem bringt jede
Besitzurkunde eines Gebäudes, die gerade vor mir liegt, weil ich dort über den
größten Einfluss verfüge, je einen weiteren Goldchip. Diese erste
Aktionsmöglichkeit ist also eindeutig dazu da, sein Konto aufzustocken. Das ist
auch bitter nötig, denn um in Coloma seinen Einfluss geltend zu machen, muss
man schon den einen oder anderen Nugget auf den Tisch legen. Alle weiteren
taktischen Optionen ergeben sich aus der Möglichkeit, in der Stadt zu agieren.
Und hier wird es schon recht anspruchsvoll, die sinnvollsten Aktionen zu
wählen. Bis zu 5 sind möglich, auch mehrmals dieselbe hintereinander. Die erste
Aktion ist kostenlos, jede weitere ist in den Preisen gestaffelt bis hin zu 15
Goldnuggets für alle 5 möglichen Aktionen. Als da wären: Goldsucher einsetzen
(auf eines der 3 Camps oder auf ein Gebäude der Stadt), Einflusskarte in ein
Gebäude legen (in dem sich dazu eine bestimmte Anzahl eigener Figuren befinden
muss) und schließlich Goldsucher versetzen (auf ein anderes Gebäude oder Camp).
Auch hier ist die Spielregel keineswegs komplex, wohl aber die Überlegungen,
die dabei angestellt werden müssen.
Wer die höchste Summe an Kartenwerten in einem Gebäude
liegen hat, erhält die entsprechende Besitzurkunde und kann die Vorteile des
Gebäudes ab sofort nutzen – und zwar genau so lange, bis sich jemand anderes
den meisten Einfluss sichert und die Urkunde damit direkt zu ihm wandert. Um
den Spielausgang möglichst knapp zu halten, bringt Teubner mit dem
„Glücksritter“ eine weite Karte als ausgleichendes Element ins Spiel, die immer
derjenige erhält, der aktuell die wenigsten Urkunden besitzt, und die ihm beim
Goldsuchen immer einen Goldchip zusätzlich einbringt. Die detaillierte
Auflistung der Vorteile jeder einzelnen der insgesamt acht Besitzurkunden
möchte ich Ihnen an dieser Stelle ersparen. Alle von ihnen besitzen jedoch
positive Auswirkungen auf den Besitzer. So bringen Sie beispielsweise
zusätzliche Goldchips in bestimmten Gebieten („Sutter’s Mill“, „Hook and Ladder
House No 1“ sowie „Miner’s Drug Store“), ermöglichen das kostenlose Einsetzen
(„Eldorado Bath House and Shaving Saloon“) oder Entfernen („Adams and Co.
Express Office“) einer Einflusskarte, oder lassen uns einen Goldsucher
kostenfrei ein- oder versetzen („Odd Fellows Hall“) bzw. im Abbau, dem zweiten
Teil des Spiels, versetzen oder aus dem Spiel nehmen („Chalmer’s Sierra Nevada
Hotel“). Und bevor Sie jetzt fragen, warum es das Ansinnen der Spieler sein
sollte, erst Figuren und Karten mühsam in die Stadt hinein und dann plötzlich
wieder heraus zu bringen, antworte ich lieber gleich darauf. Denn genau in
dieser Zwickmühle liegt der eigentliche Reiz von „Sutter’s Mill“.
 
Rein, rauf, runter, raus!
Also schön der Reihe nach: Für alles, was wir in Coloma so
treiben, erhalten wir am Ende des Spiels Punkte, und zwar für die geschürften
Goldnuggets, aber auch – und das ist die Krux – für alle Einflusskarten, die in
die Stadt hinein, aber auch rechtzeitig vor Spielende wieder herausgebracht
wurden. Auch Goldsucher, die das Versiegen der Goldader und damit das Ende des
Spiels verschlafen und noch immer in der Stadt stehen, schlagen mit
Minuspunkten zu Buche. Das Pfiffige daran ist, dass jeder Spieler selbst
entscheidet, wann er in die Abbauphase wechselt und damit beginnt, seine Sippe
wieder aus der Stadt abzuziehen. Je länger man wartet und seinen Einfluss
stärkt, desto mehr Gold für die Endabrechnung oder zum Bezahlen von Aktionen
erhält man, und desto mehr zusätzliche Karten und Figuren kann man einsetzen.
Figuren sind nötig, um überhaupt eine Karte in ein Gebäude legen zu dürfen, und
zwar mindestens so viele, wie nach dem Einsetzen eigene Karten in dem Gebäude
liegen. Wer also beispielsweise die insgesamt dritte eigene Karte auf einem
Gebäude ablegen will, muss dort drei eigene Figuren stehen haben. Je mehr
Figuren und Karten ich aber ins Spiel bringe, desto schwieriger wird es
zwangsläufig werden, diese rechtzeitig wieder aus der Stadt herauszubringen. So
ein Goldsucher hatte es wirklich schwer.
Mit dem Wechsel in den Abbau dreht der jeweilige Spieler die
vor ihm liegende Papptafel mit einer praktischen Spielübersicht um und damit
ändern sich für ihn ab sofort auch die regulären Aktionsmöglichkeiten beim
Agieren in der Stadt. Statt Goldsucher und Karten einzusetzen ist es nun nur
mehr möglich, diese wieder aus Coloma abzuziehen. Ein Wechsel zurück in die
Aufbauphase ist nicht möglich und darum belauern sich die Spieler spätestens
kurz bevor die Hälfte der Goldchips abgebaut wurde wie die Geier, um nicht den
optimalen Zeitpunkt für den Rückzug zu verpassen.
Auch beim Entfernen der Einflusskarten hat der Autor einen
einfachen, aber fast genialen Kniff eingebaut, denn die Karten müssen in
umgekehrter Reihenfolge wieder entfernt werden. Wer also als Letzter seine
Karte in einem Gebäude platziert hat, darf sie als Erster wieder entfernen. Wer
schnell an eigene, früher im Spiel abgelegte Karten kommen will, muss so unter
Umständen erst störende gegnerische Einflusskarten entfernen und schustert
damit dem grinsenden Mitspieler direkte Siegpunkte zu.
Das Spiel endet, wenn der letze Goldchip von der Goldader
entfernt wurde mit der Wertung. Nun zählt jede Einflusskarte, die wieder aus
der Stadt herausgebracht wurde für ihren jeweiligen Besitzer Punkte in Höhe des
Kartenwertes. Hinzu kommen die auf den geschürften Goldchips abgebildeten
Nuggets. Davon abgezogen werden – wie bereits angedeutet – die Werte der
Karten, die noch in der Stadt liegen und die nicht rechtzeitig abgezogenen
Figuren. Wer noch alle 5 in Coloma stehen hat, wird hier beispielsweise mit
satten 15 Minuspunkten  abgestraft. Wer nun die meisten Punkte hat, ist der
erfolgreichste Goldsucher und gewinnt.
 
Der Teufel liegt im Detail:
Diese kurze Beschreibung zeigt bereits, dass der eigentliche
Ablauf von „Sutter’s Mill“ keineswegs kompliziert ist und die Mechanismen
eingängig und damit schnell verinnerlicht sind. Teubners kleine regeltechnische
Kniffe sind es, die dennoch immer wieder für Spannung bis zur letzten Sekunde
sorgen und das Spiel aus der Kategorie „Seichte Familienunterhaltung“ in den
Bereich eines taktischen und strategischen Hochkaräters heben. Jede einzelne
Entscheidung hat großen Einfluss auf den weiteren Spielverlauf und „Sutter’s
Mill“ lädt dazu ein, die unterschiedlichsten Strategien zu verfolgen und
auszuprobieren. Ob Konzentration auf das Schürfen, ob Fokus auf Macht und
Einfluss, ob Mut zum Risiko und extrem später Rückzug aus Coloma – hier ist
jeder wirklich seines Glückes Schmied. Und das passt wiederum hervorragend zum
Spielthema.
 
Bewertung:
 
Spieler: 2-4
Alter   : ab 10 Jahren
Dauer : ca. 60 Min
 
Autor           : Marco Teubner
Grafik          : Harald Lieske
Vertrieb       : Phalanx Deutschland
Preis            : ca. 30,00 Euro
Verlag          : Phalanx Games 2008
  www.phalanxgames.de
 
Genre          :Taktisches Auf- und Abbauspiel
Zielgruppe    : Für Jugendliche/Erwachsene
Mechanismus: Kartenmehrheiten bilden und Sonderfunktionen
nutzen
Zufall                     : 1
Wissen/Gedächtnis  :
Planung                 : 6
Kreativität              : 1
Kommunikation      : 4
Geschicklichkeit      :
Action                   :
 
Kommentar:
Tolle Grundidee, spannender Spielverlauf
Clevere und neuartige Regeldetails
Trotz einfacher Regeln für Familien letztlich etwas zu taktisch
Gut aufeinander abgestimmte Mechanismen
Vergleichbar:
Grundidee der zwei Phasen: „Der Untergang von Pompeji“
(AMIGO), Mechanismus: die meisten Mehrheitenspiele, in dieser Kombination aber
bislang einzigartig
 
Atmosphäre: 7
Stefan Olschewski
Toll umgesetzte, bislang unverbrauchte Grundidee mit
vielen pfiffigen Regeldetails, die immer wieder für Spannung und knappen
Spielausgang sorgen. Für Familien leider einen Tick zu komplex.
stefan@pierrot.tobit.net