Spyrium

Im viktorianischen England revolutioniert die Entdeckung von Spyrium die Industrie, als Generaldirektor eines Konzerns ergreift man die Gelegenheit um mit Gebäuden, eingesetzten Arbeitern, Patenten und Spezialisten die meisten Siegpunkte zu erzielen! Jede Runde wird durch Einnahmen erhalten, Ereignis und Auslage auslegen vorbereitet. Dann setzt man in der Platzierungsphase einen Arbeiter oder nutzt das Ereignis oder wechselt in die Aktivierungsphase für Geld verdienen, Karte aktivieren, Ereignis oder eigenes Gebäude nutzen oder passen. Nach sechs Runden addiert man zu schon erhaltenen Siegpunkten noch jene auf Gebäudekarten und Patentkarten.  

Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:

Deutsch

Ludografische Angaben

Verlage:
Autoren:
Illustratoren:
Inventarnummer:
24533
Tags:
ess13
Kategorien:
Wirtschaft, Entwicklung/Aufbau, Experten, komplex
Erscheinungsjahr

2013
Spieler

2 - 5 Spieler
Alter

13 - 99 Jahren
Dauer

bis 60 Minuten

Rezension

Spyrium
Unsere Rezension
 
Entscheidet Euch!
 
SPYRIUM
 
Der zweite Streich
 
Ende der 1970er-Jahre war die Auswahl der möglichen
Entscheidungen noch überschaubar: Asterix oder Mickey Maus, Abba oder Kiss,
Diplomacy oder Risiko, Erdbeer- oder Heidelbeer-Joghurt? Etwa seit der
Jahrtausendwende gibt es aber auch im Bereich der Brettspiele einen nicht mehr
bewältigbaren Output an Ideen, Varianten und Umsetzungen. Ein Meilenstein in
den „Nuller-Jahren“ – und auch noch heute – war dabei sicherlich „Caylus“ (bei dem bis
heute eigentlich niemand so recht weiß, wie man den Titel korrekt ausspricht),
auch wenn es den darin zu einem ersten Höhepunkt geführten Worker-Placement-Mechanismus
nicht erfunden hat (zumindest Mitbegründer soll ja vielmehr
„Keydom“ [bzw. „Morgenland“, Hans im Glück, 2000] gewesen sein).
 
Nach rund einem Jahrzehnt provozieren
Worker-Placement-Spiele aber primär einmal ein großes Gähnen, wenn auch im
Vorjahr etwa „TZOLK’IN“ (Daniele Tascini und Simone Luciani;
Heidelberger Spieleverlag/Czech Games Edition), „Keyflower“ (Sebastian Bleasdale
und Richard Breese;
R&D Games) und „Bora Bora“ (Stefan Feld; alea) dieses Genre
wieder um schöne, innovative Facetten bereichern konnten. Und heuer findet
sogar „Russian Railroads“ (Helmut Ohley und Leonhard Orgler; Hans im Glück) allgemeines Wohlgefallen, obgleich sich dessen
Mechanismen im Wesentlichen auf das reine Arbeiter-Einsetzen konzentrieren.
 
Nach „Caylus“
(2005) hat William Attia noch mit dessen Kartenspielvariante „Caylus Magna Carta“ auf sich aufmerksam gemacht, die beiden Wortspiele „Djam“
(mit Buchstabenwürfel) und „Tai Chi Chuan“ (mit Buchstabenkarten) sind dagegen bei uns wohl nur wenigen bekannt
geworden. Auch das somit erst zweite „richtige“ Spiel des Autors nutzt
den Worker-Placement-Mechanismus als wesentlichen Bestandteil.
Ergänzt wird dieser um eine Variante eines genialen Versteigerungsmechanismus,
den erstmals Stefan Feld in „Die Speicherstadt“ (2010) verwendet hat: Dort
platzieren die Mitspieler ihre Arbeiterfiguren reihum zu den gewünschten
Angeboten (in Form von Karten). Der jeweils Erste hat dann das Vorkaufsrecht,
müsste aber so viel zahlen wie insgesamt Figuren in der Warteschlange stehen.
Ist oder erscheint das zu teuer, darf der Zweite kaufen, für den sich der Preis
um eine Münze reduziert. Und so weiter, bis vielleicht erst der Letzte in der
Reihe für nur eine Münze zum Zug kommt – sofern diese letzte Figur nicht bloß
als Preistreiber für die Mitspieler gedacht war. 
 
Hier liegen die jeweils neun Karten pro Runde jedoch
nicht nebeneinander aus, sondern in einem Rechteck von drei mal drei Karten,
sodass die Mitspieler ihre Figuren stets zwischen zwei Karten setzen. Derart
kann mit einer Figur das potentielle Interesse an zwei Karten bekundet werden
und es gibt für diese so lange zwei Auswahlmöglichkeiten, bis jemand eine
dieser Karten (weg-)kauft. Der Kauf einer Karte kostet auch hier umso mehr, je
mehr Spielfiguren bei dieser Karte stehen. Und aufgrund des Karten-Rasters kann
der Preis für eine bestimmte Karte durch Figuren an zwei bis zu vier
verschiedenen Positionen in die Höhe getrieben werden. Anstelle des Kaufes
einer Karte kann eine Figur nunmehr auch dafür genutzt werden, so viel Münzen
nach Hause zu bringen, wie weitere Figuren insgesamt um dieselbe Karte
herumstehen.
 
Auf diese Weise erhöht sich auf elegante Weise das
Spekulations- und Entscheidungs-Dilemma: Will ich eine bestimmte Karte kaufen,
muss ich natürlich (zumindest) eine Figur dazu stellen. Ich kann meine Figur
aber auch dort platzieren, obgleich ich diese Karte gar nicht kaufen will,
sondern lieber die Karte daneben, die für den Mitspieler anscheinend (bzw.
hoffentlich) gar nicht interessant sein dürfte; als angenehmen Nebeneffekt
mache ich damit eben auch die Karte für den Mitspieler teurer. Oder ich setze
meine Figur nur deswegen dorthin, weil ich mit dieser Geld generieren möchte.
Da Geld sehr knapp ist, führt eine Figurenansammlung leicht dazu, dass noch
mehr Figuren dort platziert werden, da auch die Mitspieler natürlich gerne ein
entsprechendes Zusatzeinkommen lukrieren möchten. Der diese Karte tatsächlich
kaufen wollende Mitspieler kann nun darauf spekulieren, dass sich die anderen
Figuren ohnehin noch mit ihrem Münzertrag zurückziehen werden, er die Karte
letztlich zum Basispreis bekommen wird, und er sohin noch zuwarten kann. Oder
er kauft die Karte doch gleich und teurer, bekommt diese aber immerhin sicher.
Außerdem kann man auch mit einem schnellen Kauf die Mitspieler ärgern: Die
übrig gebliebenen Figuren können auf diese Weise – wenn nämlich beide
angrenzenden Karten weggekauft sind – sogar gänzlich leer ausgehen, müssen also
ohne Karte und ohne Geld zurück genommen werden.
 
Eine weitere schöne Idee ist, dass nicht – wie sonst oft
– zunächst alle Mitspieler ihre Figuren einsetzen und (gleich oder später) für
alle Figuren die jeweiligen Funktionen in der gleichen Reihenfolge genutzt
werden, sondern das Einsetzen der Figuren und der Kauf (bzw. das Nutzen) der
Karten in zwei aufeinander folgenden Phasen jeder Runde stattfinden. Dabei
können sich die Mitspieler (nach eigener Taktik) auch schon vorzeitig in die
zweite Phase begeben, etwa weil sie schneller eine bestimmte Karte kaufen
wollen. Natürlich wird einem die Angst um eine bestimmte Karte nicht dazu
treiben, gleich mehrere Arbeiter untätig sein zu lassen, bei nur einem
„Arbeitslosen“ wird man dieses Manko aber vielleicht doch in Kauf nehmen.
Außerdem erhöht sich die Figuren-Anzahl der Mitspieler nicht gleichmäßig,
sodass der Vorteil der gesteigerten Möglichkeiten aufgrund einer größeren
Belegschaft mit dem Nachteil des späteren Eintritts in Phase 2 verbunden ist.
Weiters bieten viele der bereits in Vorrunden gekauften Karten exklusive
Einsetzfelder für die restlichen eigenen Arbeiter, welche ohnehin erst in der
zweiten Phase zum Tragen kommen. Auch derart können oder wollen manche
Mitspieler also schon früher als andere nicht mehr länger auf die allgemeine
Auslage in dieser Runde angewiesen sein. Als weitere Entscheidungsfrage kommt
also noch hinzu, ob die die eigene Auslage noch weiter vergrößert bzw.
verbessert oder lieber bereits gekaufte Karten genutzt werden sollen?
 
Soweit also die wesentlichen Spielmechanismen; und worum
geht es eigentlich in „Spyrium“? Tja, eigentlich „nur“ um Siegpunkte. Als
Hilfsmittel dazu dient das titelgebende (fiktive) grüne Mineral, das für
Siegpunkte verkauft wird. Das ist auch die Funktion der meisten Karten: Spyrium
produzieren oder Spyrium in Siegpunkte umwandeln, wobei sich die
Umtauschverhältnisse im Spielverlauf durch spätere Karten verbessern. Damit man
aber nicht bis knapp vor dem Ende Spyrium hortet, um es dann zum bestmöglichen
Wechselkurs abzustoßen, wird das Erreichen von acht und von zwanzig Siegpunkten
mit einem weiteren Arbeiter oder einmalig fünf Münzen belohnt. Zusätzliche
Arbeiter können auch mit anderen Karten gekauft werden, eine weitere Kartenart
erhöht wiederum den eigenen Status auf der Fixeinkommens-Leiste.
 
Eine gänzliche andere, zweite Kategorie von Karten sind
die sogenannten (sieben unterschiedlichen) „Patente“: Diese bieten nicht nur
einen exklusiven Vorteil während des weiteren Spielverlaufs, sondern auch einen
(zu erfüllenden) Auftrag, der bis zu sieben Siegpunkte bei Spielende Wert sein
kann. Hier erscheinen jedoch die verschiedenen Boni und Bedingungen nicht ganz
ausgewogen, obgleich der Grundpreis dieser Karten stets der gleiche ist – es
bleibt sohin den Mitspielern überlassen, dem anderen ein derartiges
„Schnäppchen“ nicht bloß zu missgönnen, sondern aktiv – durch Erhöhen des
Kaufpreises – etwas dagegen zu tun. Auch der Umstand, dass bei vier und fünf
Mitspielern nicht jeder gleich oft als Rundenstartspieler fungieren darf,
findet keine Berücksichtigung bzw. gibt es dafür kein ausgleichendes Element.
Als dritte Kartenkategorie gibt es noch „Spezialisten“; im Unterschied zu den
beiden anderen werden diese nicht gekauft, sondern bleiben bis zum Rundenende
in der allgemeinen Auslage liegen. Dafür können deren Funktionen von jedem
Mitspieler – grundsätzlich auch mehrfach – genutzt werden, der Preis dafür ist
aber wieder umso höher, je mehr weitere Figuren bei dem jeweiligen Spezialisten
noch platziert sind.
 
Im Spiel zu dritt, noch deutlicher zu zweit, macht sich
der allgemeine Geldmangel schon nahezu schmerzlich bemerkbar, da es hier kaum
möglich ist, über das Platzieren von Arbeitern relevante Geldbeträge zu
generieren und die Erhöhung des Fix-Einkommens schon grundsätzlich in keiner
Relation zu dem damit verbundenen Aufwand zu stehen scheint. Da die
Kartenauslage (von neun Stück) unabhängig von der Mitspieler-Anzahl ist, muss
zu dritt und zu zweit außerdem natürlich noch mehr abgeworfen werden als zu
viert oder fünft. Dafür kommt man sich zu zweit und zu dritt beim Karteneinkauf
weniger in die Quere, zu viert und zu fünft sollte man hingegen stärker
aufpassen, dass einem kein frustrierendes „Verhungern“ einer eigenen Figur in
der allgemeinen Auslage – und somit der Verlust einer Aktion – passiert.
Erstaunlicherweise lassen sich dennoch auch zu zweit vergleichbare
Siegpunkte-Endergebnisse wie im Mehrpersonenspiel erzielen. Es dürfte aber
unproblematisch sein bzw. den Spielverlauf nicht unausgewogen machen, wenn die
Fix-Einnahmen zu Rundenbeginn jeweils verdoppelt werden (zumindest im Spiel zu
zweit und zu dritt). Im Geld schwimmt man dann jedenfalls immer noch nicht,
immerhin lässt es sich damit doch etwas freier agieren.
 
Da in einer Partie nicht alle Karten und diese in
unterschiedlicher Reihenfolge ins Spiel kommen, ist für etwas – jedoch nicht
sehr viel – Varianz gesorgt. Spürbar mehr Notwendigkeit bei der Anpassung der
eigenen Taktik ist wegen der Abfolge der jede Runde wechselnden Ereigniskarten
erforderlich. Und auch in dieser Hinsicht nicht zu unterschätzen ist der Erwerb
von Patent-Karten, will man dann ja nicht nur möglichst oft den damit
verbundenen Vorteil nutzen, sondern auch die Extra-Siegpunkte lukrieren. Doch
ist zu konstatieren, dass „Spyrium“ nicht wegen eines stets gänzlich neuen
Spielerlebnisses oder der Möglichkeit, völlig andere Strategien auszuprobieren,
aufzutrumpfen vermag. Vielmehr lebt es von der sehr hohen Interaktion unter den
Mitspielern und deren unterschiedlichen Spielweisen, welche ebenfalls einen
starken wechselseitigen Einfluss auf die jeweilige Taktik haben.
 
Der ein wenig trockenen Atmosphäre – bedingt durch das
Fehlen eines richtigen Spielplanes und des eher abstrakten Gebrauches des
Spyriums – steht als großer Pluspunkt der Umstand gegenüber, dass sich die
Mitspieler aufgrund des relativ geringen Regelaufwandes und der gut
verständlichen Symbolik auf den Karten recht schnell zurecht finden. Auch ein
späteres Wiederspielen ist nicht mit der Mühe verbunden, sich erst wieder an
Details der Anleitung erinnern zu müssen, stattdessen gelingt der
Wiedereinstieg ins Spielgeschehen unproblematisch. Nachschauen muss man im
Wesentlichen nur mehr die Bedeutung der Patente und der Ereigniskarten. Auch
Neueinsteigern ist das schnörkellose Konzept recht leicht zu vermitteln,
darüber hinaus haben diese grundsätzlich die gleichen Siegchancen wie mit
„Spyrium“ bereits vertraute Mitspieler. Das soll aber nicht heißen, dass die
Anleitung gut geschrieben wäre, leider ist diese sogar etwas umständlich
formuliert, ein zweimaliges Durchlesen vor dem ersten Spiel wird üblicher Weise
schon erforderlich sein. Die Kartengrafik wirkt zwar etwas düster, passt dafür
recht gut zu der „Hintergrundgeschichte“ eines Industriezeitalters im
viktorianischen England. Auf dem Spielplan – der eigentlich nur der Markierung
der bereits erworbenen Siegpunkte und des Fix-Einkommens dient – ist noch eine
Art „Kurzanleitung“ aufgedruckt, welche jedoch weniger intuitiv gestaltet ist;
auch den Kartenrückseiten mangelt es an grafischer Prägnanz.
 
Ein grundsätzliches Merkmal der meisten
Arbeiter-Einsetz-Spiele macht sich auch leicht bei „Spyrium“ bemerkbar: Längere
Wartezeiten, bis alle ihre Figuren platziert haben. Nahezu alle Karten und
Einsetzmöglichkeiten erscheinen nämlich wichtig und interessant, alles will man
haben – die Entscheidung, welcher Priorität gerade der Vorzug zu geben ist,
fällt da natürlich schwer. Auch deswegen, weil es diverse Fehler zu vermeiden
gilt, die einem dennoch zu oft erneut unterlaufen: Etwa ein Kartenkaufwunsch,
bei dem man zu spät bemerkt, dass dieser mangels ausreichendem Vermögen nicht
zu erfüllen ist; oder das unnötige sich selbst teurer Machen einer Karte durch
das angrenzende Platzieren mehrerer eigener Figuren; oder das Einsetzen von
allen eigenen Figuren in der allgemeinen Auslage, sodass keine Arbeiter mehr
für die Nutzung der eigenen Karten in Phase 2 zur Verfügung stehen; oder –
vermeintlich schlauer geworden – das Reservieren von Figuren für die Phase 2,
obgleich man ohnehin durch den Kauf einer Karte oder durch einen Bonus eine
zusätzliche Figur erhält; und, und, und … Ein wenig Grübeln, Tüfteln,
Optimieren und Erbsen- bzw. Geldmünzen-Zählen vor dem Platzieren der Arbeiter
muss also schon sein, damit man sich bei "Spyrium“ letztlich nicht selbst
am meisten im Weg steht; die Mitspieler tun das ohnehin. Umso erfreulicher,
wenn sich die letztlich getroffenen Entscheidungen dann – gerade deswegen oder
dennoch – bewähren!
 
Harald Schatzl
 
Spieler: 2-5
Alter: 12+
Dauer: 120+
Autor: William Attia
Grafik: Arnaud & Neriac Demaegd
Preis: ca. 25 Euro
Verlag: Ystari Games 2013
Web: www.ystari.com
Genre: Worker-Placement
Zielgruppe: Mit Freunden
Version: multi
Regeln: de en + fr
Text im Spiel: nein
 
Kommentar:
relativ geringer Regelaufwand
hohe Interaktion
Symbolik der Karten ist sehr bald verstanden
eher düstere Grafik
die kleinere Schachtel ist immer noch doppelt so groß wie
notwendig
 
Vergleichbar:
Die Speicherstadt für Versteigerung, andere
Worker-Placement-Spiele
 
Andere Ausgaben:
Französische und englische Ausgabe, Ystari
 
Meine Einstufung: 5
 
Harald Schatzl:
Wieder ein gelungenes Musterbeispiel eines Worker-Placement-Spieles
vom Autor von „Caylus“, dessen sehr übersichtliche Struktur einen schnellen
(Wieder-)Einstieg in eine Partie gewährleistet, mit einem
ausgezeichnet integrierten Preistreiber- und Einkommens-Mechanismus; erfreulicherweise auch zu fünft spielbar.
 
Zufall (rosa):
1
Taktik
(türkis): 3
Strategie
(blau): 2
Kreativität
(dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis
(orange): 0
Kommunikation
(rot): 0
Interaktion
(braun): 3
Geschicklichkeit
(grün): 0
Action
(dunkelgrün): 0