SOS Titanic

Ein Spiralbuch, die Seiten als Decks der Titanic, die durch Umblättern versinken. Als Crew-Mitglied versucht man, allein oder im Team möglichst viele Passagiere zu retten. Man kann nicht gerettete Passagiere verlegen - Passagiere 1. und 2. Klasse nur innerhalb ihrer Klasse - und muss dann entweder eine Aktionskarte zur Rettung von Passagieren spielen oder die Rettung vorbereiten. Dazu zieht man Passagiere vom Stapel und legt sie in passende Reihen; gelingt dies für keinen einzigen Passagier, versinkt ein Deck. Ist die Titanic gesunken, wertet man gerettete Passagiere - schafft man mehr als 19 Punkte, ist man besser als die echte Titanic-Crew.  

Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:

Deutsch

Ludografische Angaben

Redaktion:
Illustratoren:
Inventarnummer:
25123
Tags:
ess13
Kategorien:
Karten, Legen, Solitär
Erscheinungsjahr

2013
Spieler

1 - 5 Spieler
Alter

8 - 99 Jahren
Dauer

bis 30 Minuten

Rezension

SOS Titanic
Unsere Rezension
 
Ich möchte ein
Eisberg sein
 
SOS TITANIC
 
Lieber einsam
statt gemeinsam
 
Die Idee des kooperativen Spiels lockt ja mit dem
unausgesprochenen Versprechen einer heilen Spielewelt: Gemeinsam lösen wir in
gleichberechtigter Weise packende Aufgaben, trösten einander bzw. muntern uns
bei Rückschlägen und Enttäuschungen auf, und fiebern dem Ausgang unseres spannenden
Abenteuers sowie unserer erfüllten Zeit entgegen. Letztlich dürfen wir in
trautem Gleichklang entweder das verbindende Erlebnis gemeinsamer Trauer oder
sogar das euphorische Glück des universellen Siegestaumels empfinden. Freudig
tanzend umarmen wir einander lachend und es durchströmt uns das intensive
Gefühl: Wenn wir dieses Spiel gemeistert haben, können wir auch die Welt
retten! Friede, Freude und Eierkuchen für Alle!! Jung und Alt, Mann und Frau,
ja sogar Experten- und Familienspieler sind endlich miteinander versöhnt!!!
 
Die Realität schaut leider oft anders aus: Die Gemeinsamkeit
beschränkt sich auf den – meist zum Scheitern verurteilten – Versuch, unklare
bzw. unvollständige Anleitungen zu enträtseln. Der Gamma-Spieler starrt auf den
Spielplan wie das Kaninchen vor der Schlange und kann sich vor Angst, die ganze
Gruppe durch sein möglicherweise falsches Handeln in den Untergang zu führen,
zu keiner Entscheidung entschließen; und so ist das Einzige, was sich über
einen längeren Zeitraum bewegt, der Schweißtropfen auf seiner Stirn. Der
Beta-Spieler achtet – nachdem er die grundsätzlichen Spielmechanismen
verstanden hat – nur mehr peripher auf das Geschehen, stattdessen blättert er lieber
in diversen Spielanleitungen herum, weil es bei „kooperativen Spielen ja
ohnehin egal ist, was man tut“. Am Schlimmsten ist jedoch der Alpha-Spieler: Er
kennt sich schon ein wenig aus (bzw. vermeint sich auszukennen) und will allen
anderen auf penetrante Weise erklären, was sie zu tun bzw. zu unterlassen
haben. Bald entstehen deswegen Unstimmigkeiten bzw. vielleicht sogar ein Zwist,
weil es jemand gewagt hat, von diesen ständig mit Nachdruck erteilten Empfehlungen
abzuweichen. Es geht also bald so „friedlich“ zu wie bei einer
Welt-Klima-Konferenz und das hehre Vorhaben der Verwirklichung eines
gemeinsamen Zieles fällt in sich zusammen wie ein misslungenes Salzburger
Nockerl.
 
Warum also im Brettspiel nicht gleich die ehrliche
kompetitive Konfrontation suchen, als im kooperativen Spiel entstehende indirekte
Konflikte von hintenherum auszutragen? Konsequenter Weise sollten kooperative
Spiele also gleich alleine gespielt werden. Die Anwesenheit (nur) eines
Mitspielers ließe sich anfangs noch damit begründen, dass man sich
wechselseitig auf allenfalls vergessene Regeldetails aufmerksam machen kann. Mir
fallen jedenfalls nur drei Spiele ein, welche aus anderen Gründen das Konzept
der kooperativen Spielweise tatsächlich rechtfertigen konnten:
 
„Space Alert“ (2008; Vlaada Chvátil) umschifft aufgrund des bestehenden Zeitdruckes elegant
die Problematik eines die anderen dirigieren wollenden Mitspielers, da in der
allgemeinen Hektik jeder genug mit sich selbst beschäftigt ist. Erst wenn die
Mitspieler erkennen, dass es für einen Erfolg nicht ausreicht, sich so wie in
jeder „gut funktionierenden Organisation“ zu benehmen – jeder macht was er
will, aber keiner weiß was er tut – kommen die Leute auf konstruktive Weise durch
Reden zusammen und beginnen sich zu koordinieren.
 
„Die Legenden von Andor“ (2012, Michael Menzel) wiederum
kann durch seine Erzählstruktur überzeugen, wonach die Regeln sowie die genauen
Aufgaben der diversen Abenteuer erst im Spielverlauf ganz nebenbei „erlebt“
werden und die Mitspieler sohin tatsächlich gemeinsam an einer – allen zunächst
nicht näher bekannten – Geschichte teilhaben können (zumindest beim ersten
Kennenlernen der diversen „Legenden“).
 
Und der kleine Spiel-des-Jahres-Preisträger aus dem
Vorjahr – „Hanabi“ (Antoine Bauza) – kann
schon wegen der verkehrt herum gehalten Karten nicht alleine gespielt werden.
Dafür eröffnet dessen Umsetzung die Möglichkeit für neue Konflikte: Die
Mitspieler können hier nämlich nicht nur über die „Unfähigkeit“ der anderen
streiten, sondern endlich auch darüber, welche Informationen in einem erlaubten
Hinweis enthalten sein dürfen und welche nicht.
 
Und was hat das alles mit „SOS
Titanic“ zu tun? Nun, gleich auf Seite 3 der Anleitung wird mit frappanter
Ehrlichkeit eingeräumt, dass es „alleine gespielt werden kann. Dann triffst Du
natürlich alle Entscheidungen selbst“ – und so soll es ja wohl auch sein! Der
Vorzug des Alleinespielens liegt auch darin begründet, dass es sich bei „SOS
Titanic“ um eine Variante des Patiencen-Kartenlegens handelt. Und wer würde schon
auf die Idee kommen, mit mehreren Mitspielern gemeinsam eine Patience legen zu
wollen? (Nicht umsonst haftet dieser Tätigkeit das Klischee an, eine der
Lieblingsbeschäftigungen von Hofratswitwen zu sein). Auch hier sollen wir also
eine chaotische Unordnung unter mehreren verdeckten Kartenreihen samt
Nachziehstapel zunächst in absteigende Reihenfolgen vorsortieren, um diese
letztlich in geordnete aufsteigende Abfolgen zu bringen. Ähnlich wie bei der „Mystery
Rummy“-Serie (von Mike Fitzgerald) wird das
bekannte und bewährte Spielprinzip nicht nur um neue Ideen bereichert, sondern
auch in eine thematisch stimmige Geschichte eingebettet. Hier stellen die
Karten nämlich jeweils Passagiere der Titanic dar, welche in penibler Ordnung
in die richtigen Rettungsboote (= die jeweils erste Karte jedes Stapels) geleitet
werden sollen.
 
Im Unterschied zu einem
normalen Kartenpaket gibt es jedoch nur zwei Farben: Dabei steht Lila für die
erste Klasse, die zweite Klasse muss sich mit Gelb begnügen. Das macht das
Sortieren zunächst einmal natürlich einfacher. Dafür sind die Werte jeweils
doppelt vorhanden und in Gelb gibt es (zweimal) 17 Karten (im Gegensatz zu der
13 als höchste Zahlen bei Lila bzw. zu den üblichen Kartenwerten). Als weitere,
vor allem hervorstechende Besonderheit hat man hier aber auch noch einen gewissen
stressigen Zeitdruck: Dauert das Kartensortieren (bzw. das Retten der
Passagiere) nämlich zu lange, sinkt die Titanic bekanntlich und es heißt „Game
Over“. Immerhin darf man sich auch im Falle des Scheiterns an mehr oder weniger
erzielten Siegpunkten erfreuen, wobei bereits 20 davon ein besseres Ergebnis
als das tatsächlich historische bedeuten sollen (und welche eigentlich immer
erreicht werden können). Ein „Aufgehen“ der Patience bringt mindestens 60
Punkte, das absolute Maximum von 100 Punkten ist jedoch nur theoretischer Natur
(außer die Karten werden nach einer gewonnenen Partie nicht gemischt).
 
Der zeitliche Faktor wird durch
ein schön gestaltetes Ringbuch dargestellt, welches das Sinken der Titanic
bebildert (und auch als großes Daumenkino verwendet werden kann): Auf jeder
Seite ist der gerade aktuelle Status des Unterganges zu sehen und zeigt vor
allem, auf wie vielen Schiffsdecks unsere Passagiere noch unterkommen können; ein
Deck entspricht dabei einer Kartenreihe. Bei jedem Umblättern fließt mehr
Wasser in das Schiff und schon bald ist das erste Deck komplett geflutet. Die
dort angelegten Karten müssen zwar nicht gleich ertrinken, dafür drängen sie in
das nächste Deck und bewirken noch mehr Chaos bei den dortigen Passagieren –
die Karten der beiden Reihen müssen also gemischt und verdeckt neu ausgelegt
werden. Das ist natürlich dann besonders bitter, wenn man bereits mühsam eine
gewisse Ordnung in eine oder gar beide der betroffenen Kartenreihen gebracht hat
und nun unter erschwerten Umständen mit dem Sortieren neu beginnen muss. Umgeblättert
wird das Ringbuch stets dann, wenn beim Nachziehen vom verdeckten Kartenstapel
kein passender Passagier mit dabei ist, also wenn in den diversen Reihen und
Stapeln keine Karte korrekt angelegt werden kann. Auch das Neumischen des
Nachziehablagestapels wird ebenso sanktioniert.
 
Die Entscheidungsmöglichkeiten
ergeben sich zum einen aus unterschiedlichen Charakter-Karten, zum anderen aus
Aktionskarten. Zu Spielbeginn verkörpert man nämlich ein bestimmtes Mitglied
der Crew und verfügt derart über unterschiedliche Startbedingungen und
Sondereigenschaften, die natürlich sinnvoll eingesetzt werden wollen. Die
Aktionskarten erlauben noch gravierendere Eingriffe in die Grundregeln, etwa
das Anschauen des Nachziehstapels und Anlegen einer ausgesuchten Karte,
Umschichten von Kartenreihen, etc. Oft ist es entscheidend, die Aktionskarten
zum „richtigen“ Zeitpunkt einzusetzen: Zu früh entfalten diese vielleicht keine
ausreichende Wirkung, zu spät kann es dafür natürlich schon zu spät sein. Wesentlich
ist jedenfalls ein gutes Gedächtnis hinsichtlich bereits aufgedeckter und
wieder umzudrehender Karten: Zum einen sollte man sich merken, in welcher Reihe
welche (bereits gesehene) Karte liegt; zum anderen, welche Karten sich im
Ablagestapel befinden, sodass diese nach dem Neumischen wieder auftauchen werden.
Bei Letzterem kann man natürlich auch „schummeln“ und sich das Durchschauen des
Ablagestapels selbst erlauben; immerhin soll das Spiel ja Vergnügen bereiten
und nicht zur Denk-Qual ausarten.
 
Als Manko bei den grundsätzlich
einfachen Spielregeln sind zum einen manche Formulierungen zu konstatieren.
Wären zusätzlich nicht auch gut bebilderte Beispiele abgedruckt, würde man es nur
schwer zu einer ersten Partie schaffen – und dass, obwohl das Grundprinzip des
Spiels ja ohnehin allgemein bekannt ist! Etwa wird das Nachziehen von Karten
sehr holprig als „die Rettung der Passagiere vorbereiten“ bezeichnet. Diese
Wortfolge findet sich dann leider auch an anderer Stelle wieder, sodass man
sich das mehrfach auf ein verständliches Niveau übersetzen muss. Die Symbolik
der diversen Aktionskarten wiederum ist zwar logisch, jedoch auch beim
wiederholten Spiel nicht gleich nachzuvollziehen, sodass man hier eigentlich
immer die Beschreibung der Auswirkungen der Aktionskarten nachlesen muss. Dafür
weist jede Passagierkarte (ab dem Wert 2) erfreulicherweise eine eigene Grafik
auf, wobei mit den niedrigeren Werten passender Weise zunächst Kinder und
Frauen gerettet werden.
 
Jedenfalls ist es immer wieder
spannend, sich als Lebensretter zu betätigen. Neben den unterschiedlichen
Charakter-Karten besteht die Varianz vor allem aus den diversen Aktionskarten,
sodass die kurze Spieldauer wiederholt zu einer weiteren Partie einlädt. Die
Anleitung bietet außerdem Möglichkeiten an, mit denen man sich – und den
Passagieren – das (Über-)Leben noch schwerer machen kann. Zwar hängen Sieg oder
Niederlage weniger vom eigenen Geschick als von der „Freundlichkeit“ der Karten
(bzw. deren anfänglicher Verteilung) ab, doch darf man hier immerhin das Gefühl
haben, dass das Erreichen des Spielzieles (bzw. das Schicksal von mehreren
Dutzend Menschen) in der eigenen Hand liegt. Oder ist mein häufiges Scheitern bloß
darin begründet, dass ich einfach zu schlecht spiele? Vielleicht sollte ich mir
also Unterstützung bei Mitspielern suchen? Da trifft es sich ja gut, dass „SOS
Titanic“ eigentlich ein kooperatives Spiel ist!
 
Harald Schatzl
 
Spieler: 1-5
Alter: 8+
Dauer: 30+
Autor: Bruno Cathala, Ludovic Maublanc
Grafik: Sandra Fesquet
Preis: ca. 20 Euro
Verlag: Heidelberger 2013
Web: www.heidelbaer.de
Genre: Karten legen
Zielgruppe: Familie
Spezial: 1 Spieler
Version: de
Regeln: de en jp
Text im Spiel: ja
 
Kommentar:
Anleitung und Symbolik erschweren den Einstieg
am besten als Solitär-Spiel
Schachtelgröße ist nur wegen der Ausmaße des Ringbuches
bedingt
 
Vergleichbar:
Patiencen Legen, Mystery-Rummy-Serie
 
Andere Ausgaben:
Ludonaute, Frankreich
 
Meine Einschätzung: 5
 
Harald Schatzl:
„SOS Titanic“ führt das Patiencen-Legen mit einer
stimmigen Hintergrundgeschichte und neuen Ideen in das 21. Jahrhundert und ermöglicht
zu Hause und unterwegs (etwa auf einer Schiffs-Kreuzfahrt) viele spannende
Solo-Partien (eventuell kann man noch Kate und/oder Leonardo mitspielen
lassen).
 
Zufall (rosa): 2
Taktik (türkis): 1
Strategie (blau): 0
Kreativität (dunkelblau):
0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 2
Kommunikation (rot): 2
Interaktion (braun): 0
Geschicklichkeit
(grün): 0
Action (dunkelgrün): 0