Risiko Europa

Vier Armeen - Osmanen, Burgunder, Wikinger und Franken - und sieben Königreiche mit besonderen Stärken und Schwächen, alles auf einem mittelalterlichen Plan. Im Vordergrund steht das Planen einer Strategie zur Kontrolle von Städten; jede Stadt liefert eine Krone und man will als Erster sieben Kronen kontrollieren. Königliche Befehlskarten, Münzen als Zahlungsmittel, Festungen, Siegel, Kronen und Standarten erweitern die Grundregeln. Pro Zug spielt man zwei Befehlskarten, Schlachten werden mit Würfeln ausgetragen. Eine Art Karten liefert Steuern für Waffen, Soldaten, Schlösser oder Kronen, die andere Art bewegt oder verstärkt Truppen.  

Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:

Deutsch

Ludografische Angaben

Inventarnummer:
26868
Tags:
ess16
Kategorien:
Figuren bewegen, Laufspiel, Würfel, Setz-/Position, Konflikt/Simulation
Erscheinungsjahr

2016
Spieler

2 - 4 Spieler
Alter

14 - 99 Jahren
Dauer

bis 90 Minuten

Rezension

rezension
 
Von der Genesis
bis zur Offenbarung?
 
Risiko
Europa
 
Dice-War in good
old Europe
 
Am Anfang war die Welt, und die Welt hatte 42 Gebiete;
die Evolution kam erst später. Aber auch in Mittelerde konnte es riskant sein.
Gibt es in Frankreich bald wieder einen Napoléon? Oder gar einen Bürgerkrieg in
Amerika? Wie lange können wir uns „deluxe“ noch leisten; sollten wir nicht
lieber mehr „classic“ leben? Wird uns das Netz bis zum Jahr 2210 alle zu
Zombies transformieren? Oder werden wir gar zu den Sternen (aus-)wandern, dann
aber auch dort Kriege führen?
 
Soweit eine kleine Übersicht zu 15 (bei weitem nicht
allen) Varianten (*) von „Risiko“, eines jener Brettspiele, das wohl
jeder kennt. Wer zählt die Stunden, die wir in der Kindheit, Jugend und sogar
als Erwachsene damit zugebracht haben? Und jetzt, im Alter, dürfen wir endlich
nach Hause zurückkommen. Es ist jedoch kein friedlicher Ort, an dem wir unsere
Ruhe finden sollen; denn auch in Europa herrscht Krieg. Das Schachtel-Cover
weist bereits den Weg: Ein grimmig dreinblickender, bekrönter Ritter mit einem
düsteren Schlachten-Szenario im Hintergrund.
 
Vielleicht aus Gründen der Nachhaltigkeit wird die
Schachtel ohne Schutzfolie verkauft. Stattdessen befinden sich auf allen vier
Kanten runde Kleber, welche sich aber leider nicht spur- und beschädigungslos
entfernen lassen. Auch der Inhalt der Spielschachtel hinterlässt gemischte
Gefühle: Der große, durchaus schöne Spielplan würde mit mehr „antiquarischen“
Details noch mehr Vergnügen bereiten, und die Spielkarten weisen eine eher
„flapsige“ Qualität auf. Dafür gibt es bei den vier Armeen nicht nur jeweils
vier verschiedene Einheitentypen – Fußsoldaten, Bogenschützen, berittene Ritter
und Belagerungsmaschinen – erfreulicher Weise variiert auch die Gestaltung der
vier Armeen untereinander: Es gibt Wikinger (blau), Osmanen (lila), und zwei
Arten von Rittern (grün und rot). Die Wikinger müssen aber mit einem technisch
etwas simplen Belagerungsgerät auskommen – nämlich bloß mit Rammböcken –
spielerisch bzw. in der Hektik des Kampfes noch nachträglicher wiegt der
Umstand, dass sich die Fußsoldaten und die Armbrustträger zu ähnlich sehen.
 
Nun denn, auf zum Regelstudium: Die Anleitung ist nicht
schlecht, aber etwas umständlich geschrieben; immerhin ist sie (bis auf wenige,
nicht wirklich relevante Details) gut verständlich. Jedenfalls entpuppt sich
dabei die erste große Überraschung: Das simple Truppenverstärken, Erobern,
Verschieben und danach Karteziehen gibt es hier nicht mehr. Stattdessen
benötigt jede der vier möglichen Aktionen – Steuern einheben, Geld ausgeben,
Angreifen und Verschieben – eine (von acht) (Hand-)Karte(n), die wiederum
jeweils zwei Optionen bieten; zwar würden sogar fünf dieser Karten Angriffe
erlauben, doch muss stattdessen oft die Alternative des Verschiebens genutzt
werden. Pro Runde wählen alle Mitspieler davon zwei (gleichzeitig und geheim)
sowie auch deren gewünschte Abfolge aus – was einmal liegt, das pickt! Sollten
in den beiden Aktionsphasen die eigenen Befehle dann nicht mehr halten, was sie
zunächst versprochen haben, kann man nur mehr auf die andere Option der aktiven
Befehlskarte ausweichen. Ein effektives Erobern erfordert hier also eine
gewisse planerische Weitsicht, denn erst nach jeweils vier Runden stehen wieder
alle Handkarten zur Auswahl.
 
Die zweite große – und noch gelungenere – Überraschung:
Jeder Einheitentyp hat einen anderen Kampfmodus und andere Kosten! Fußsoldaten
sind am billigsten (nur eine Münze pro Einheit), dafür aber eher nur als
„Kanonenfutter“ zu gebrauchen. Bogenschützen (zwei Münzen) haben ein
Vorschussrecht und treffen jeweils mit einem Würfelergebnis von 5 bzw. 6 (also
mit einer Drittel-Chance). Reiter sind sogar bereits ab 3 „tödlich“ effektiv
(also eine Treffer-Chance von sogar zwei Drittel), kosten aber auch drei Münzen
und kommen in jeder Kampfrunde erst nach den Bogenschützen dran. Quasi eine „Wunderwaffe“
ist die Belagerungsmaschine bzw. das Katapult: Es trifft nicht nur so gut wie
die Reiter, es erlaubt auch noch das Werfen von zwei Würfeln und wird sogar
noch vor den Bogenschützen aktiv – dafür kostet es auch stolze 10 Münzen! Ohne
technische Aufrüstung bzw. ohne Katapult bleibt außerdem der Angriff auf ein
gegnerisches Gebiet mit Festung tabu; auch letztere können – zusätzlich zur
eigenen Start-Festung – gekauft werden, und bieten noch weitere
Verteidigungsvorteile. Erst nachdem alle „Spezial“-Einheiten tätig waren,
kommen (erst) als letzter Schritt pro Kampfrunde die klassischen
„Risiko“-Regeln dran: Also (maximal) drei Würfel gegen (maximal) zwei, mit
Vergleich von deren Werten (bzw. wenn auf beiden Seiten ohnehin nur Fußsoldaten
beteiligt sind, bleibt es stets bei dieser Variante des Kämpfens). Insgesamt
ergibt das alles eine sehr stimmige und intuitive (bzw. „realistische“),
dennoch nicht übermäßig komplizierte Art, Schlachten abzuwickeln. Worauf man
dabei jedoch vergessen hat, ist ein „Battleground“, auf welchem die jeweils
involvierten Truppen schön übersichtlich hätten platziert werden können, zumal
es auf dem Spielplan in einem umkämpften Gebiet doch auch sehr eng und
unübersichtlich werden kann. 
 
Nicht wirklich überraschend ist der Umstand, dass es zum
Gewinnen nicht auf das Erfüllen von Aufträgen ankommt („Erobern/Befreien Sie
Europa“), sondern auf den Besitz von einer bestimmten (spielerzahlabhängigen)
Anzahl an Stadtgebieten am Ende einer Runde. Mit Geld können aber auch
Kronen-(= Siegpunkte)-Karten gekauft werden, sodass es nicht ausschließlich auf
das (Un-)Glück auf dem Schlachtfeld ankommt. Je größer das eigene
zusammenhängende Reich, desto mehr Steuern sind zu lukrieren. Sehr gut gelöst
ist die Möglichkeit, einem wirtschaftlich (zu) mächtigen Mitspieler durch den
gezielten Angriff auf ein oder zwei Gebiete empfindlich in seinem Geldrausch zu
stören (sodass sich dieser doch wieder in seine Rüstung wird zwängen müssen).
Sämtliche Kämpfe werden aber erst zu jedem Rundenende – also nachdem jeder
seine zwei Befehls-Karten genutzt hat – abgewickelt, sodass zwischen dem
Einmarsch und dem Beginn einer Schlacht noch viel passieren kann.
 
Im Spiel zu dritt und zu zweit wird Geld auch noch zum
(rundenweisen) Anwerben der (einen oder zwei) Söldnerarmeen benötigt, was
spielerisch ebenfalls erstaunlich gut funktioniert. Da sich jede Söldnerarmee
das gebotene Geld behalten bzw. in weiterer Folge zum eigenen Aufrüsten
verwenden darf, kann dieser Mechanismus leicht den Effekt haben, dass die Mitspieler
sich kaum mehr eigene Einheiten leisten können bzw. wollen, sondern sich lieber
vor der benachbarten Söldnerarmee zu schützen versuchen bzw. mit deren
geballter Kraft den Mitspieler anzugreifen streben. Denn das erfolgreiche
Aufrüsten einer Söldnerarmee kann hier natürlich den bitteren Effekt haben,
dass einem der vormals finanziell Verbündete in den Rücken fällt. Die
Söldnerarmee ist aber nicht nur in ihrer Gunst wankelmütig, man kann sich bei
Abgabe des Gebotes auch nie wirklich sicher sein, ob einem in der Folgerunde
für diese auch zwei Angriffsbefehle zur Verfügung stehen oder bloß deren
Steuern-Einheben/Kaufen-Karten.
 
Die diversen Neuerungen sind im Einzelnen zwar nicht
wirklich innovativ, ergeben insgesamt aber ein stimmungsvolles Gesamtes, ohne
deswegen einen zu komplizierten Regelmehraufwand zu bewirken. Zum einen hätte
ich mir aber bei den Befehlskarten mehr Varianz gewünscht – etwa Kombinationen
aus Angreifen/Steuern-Einheben oder Verschieben/Kaufen. Zum anderen sind mir
die stets gleichen und fixen Vorteile für die goldenen Start-Städte zu
gleichförmig, zumal etwa der Besitz von London und Paris (bzw. Paris und
Madrid) mit regelmäßigen Extra-Truppen belohnt wird, was im Vergleich zu den
Vorteilen der anderen Start-Städte gerade zu Beginn des Spieles einen nur
schwer einholbaren Vorsprung verschaffen kann (immerhin lässt sich auch auf
diese Vorteile verzichten, zumal darauf ohnehin immer wieder leicht vergessen
wird). Und auch die mitgelieferte Variante zu den Kronenkarten erscheint nicht
gut durchdacht: Dabei können diese nicht einfach gekauft werden, sondern es
müssen bestimmte Geheim-Aufträge erfüllt werden, damit die Karte als sicherer
Siegpunkt gilt (quasi eine Reminiszenz an das Original-Spiel). Der
Schwierigkeitsgrad dieser Aufträge reicht aber von „babyleicht“ bis nahezu
unerfüllbar, was die grundsätzlich gute Idee – das Spiel dadurch taktischer
bzw. strategischer zu machen – völlig konterkariert.
 
Varianten:
 
I.) Die Landkarte von Europa hat mehr als die
„klassischen“ 42 Gebiete der „Risiko“-Weltkarte, sodass sich zum einen ein Spiel
(auch) zu fünft oder gar sechst anbietet, sofern im eigenen Fundus
weitere Armeen zu Verfügung stehen (etwa aus „Der Herr der Ringe - Risiko“);
dazu müsste bloß noch jeweils ein weiterer Kartensatz (für die Befehle)
gebastelt bzw. kopiert sowie die Anzahl der für einen Sieg erforderlichen
Kronen auf 6 bzw. 5 reduziert werden.
 
II.) Zum anderen kann das Spiel auch leicht jüngeren
Kindern (wohl eher nur Buben) zugänglich gemacht werden; die empfohlene
Altersangabe von „ab 14 Jahren“ erscheint zwar ohnehin als zu hoch angegeben,
doch mit einem Rückgriff auf die Original-Regeln sollten auch schon
Volksschüler Spaß an dieser vereinfachten Version haben können (in der Folge
werden nur die relevanten Änderungen für vier Mitspieler beschrieben):
 
Vorbereitung: Auf jede goldene Startstadt wird
eine Festung gestellt; jeder Mitspieler erhält eine (zufällige oder
ausgesuchte) dieser goldenen Startstädte (mit einer Festung) und mit einer
Anzahl von Fußsoldaten in Höhe von zehn minus dem Steuerwert (der eigenen
Startstadt). Die acht goldenen Städte haben ansonsten keine Sondervorteile,
gespielt wird außerdem ohne Befehlskarten.
 
Zug eines Spielers:
 
a.) Rundeneinkommen: Summe aus dem größten Gebiet von
miteinander verbundenen Stadt- und Landgebieten (wie bei „Risiko Europa“).
 
b.) Truppenverstärken: Geld kann beliebig für neue
Truppen ausgegeben (oder gespart) werden; auf jedem Stadtgebiet dürfen aber nur
so viele neue Einheiten zusätzlich platziert werden, wie der Steuerwert dieser
Stadt beträgt, wobei eine Festung diesen Wert verdoppelt. Es darf nur eine
Kronenkarte pro Zug gekauft werden; außerdem erst ab dem Zeitpunkt, nachdem
alle Stadtgebiete (egal von wem) besetzt sind.
 
c.) Angriffe: beliebig viele (wie im Original), abzuwickeln
grundsätzlich wie bei „Risiko Europa“; das Erobern eines leeren Stadtgebietes
„kostet“ aber Einheiten in Höhe von dessen Steuerwert (üblicherweise wird man
dafür Fußsoldaten entfernen); auch für das Erobern einer noch leeren goldenen
Stadt wird ein Belagerungsgerät benötigt (das dabei aber nicht zwingend
entfernt werden muss).
 
d.) Truppenverschieben: maximal nur zwei Felder weit (wie
bei „Risiko Europa“), stets muss eine Einheit zurückgelassen werden.
[Anmerkung: bei der Version meiner Kindheit waren noch
beliebig viele Truppenbewegungen erlaubt – das finde ich auch stimmiger –
später ist das auf nur mehr eine pro Zug beschränkt worden; das kann je nach
persönlichem Geschmack gehalten werden]
 
Ende: Sobald ein Mitspieler am Ende seines Zuges 6
Kronen besitzt, hat dieser sofort gewonnen.
 
(*) „Evolution“, „Der Herr der Ringe“,
„ÉditionNapoléon“, „Captain America - Civil War Edition”, „Deluxe“, „Classic“,
“A.D. 2210”, “The Walking Dead”, “Plants vs. Zombies”, “Transformers”, “Star
Trek”, “StarCraft”, “Star Wars”, “Star Wars - Die Klonkriege” sowie “StarWars -
Die Original Trilogie”
 
Harald Schatzl
 
Spieler: 2-4
Alter: 12+
Dauer: 60+
Autor: nicht genannt
Grafik: nicht genannt
Preis: ca. 55 Euro
Verlag: Hasbro 2016
Web: www.hasbro.de
Genre: Würfel-Kampf-Spiel
Zielgruppe: Mit Freunden
Version: de
Regeln: de
Text im Spiel: ja
 
Kommentar:
 
anders und interessanter, weil besser planbar als das
Original
Spielweise und -verlauf haben kaum mehr Ähnlichkeiten
fein ausgestattetes Spielmaterial, das aber noch schöner
und praktikabler hätte ausfallen können
 
Vergleichbar:
Axis & Allies, Samurai
Swords, andere Risiko-Varianten
 
Andere Ausgaben:
Hasbro (en, es, fr)
 
Meine Einschätzung: 5
 
Harald Schatzl:
 „Risiko Europa“ ist ein taktisch-strategisches und
(weiterhin) glücksbetontes Eroberungsspiel, das – Warnung und Empfehlung
zugleich – mit seinen Wurzeln nicht mehr wirklich viel zu tun hat. Dafür
schafft es der ehemals feuchte Traum der Kindheit als (ebenfalls reifer
gewordener) Wiederkehrer erneut, unsere nunmehr alt gewordenen Augen zu
befeuchten; zum einen aufgrund sentimentaler Rührung, zum anderen ob der
Ungewissheit, ob uns noch weitere 42 Jahre Lebenszeit verbleiben mögen, die wir
mit diesem Spiel verbringen können. Und falls nicht: Begrabt mein Herz an der
Ecke der Spielschachtel!
 
Zufall (rosa): 2
Taktik (türkis): 2
Strategie (blau): 1
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 1
Kommunikation (rot): 2
Interaktion (braun): 3
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0