Navegador

Ausbau des portugiesischen Kolonialreichs, die Spieler beteiligen sich als geschäftstüchtige Handelsdynastien - sie entdecken Seeregionen, gründen Kolonien für Zucker, Gold und Gewürze, errichten Faktoreien, Werften und Kirchen und erwerben Privilegien, dies alles für Siegpunkte. Das Spiel hat drei Phasen, II und III werden durch Entdeckung von Seeregionen ausgelöst. Sie bringen neue Privilegien und beeinflussen Segelreichweite der Schiffe sowie Kosten zusätzlicher Schiffe und Arbeiter. Man wählt den Spielzug im Rondell: Markt, Baumeister, Segeln, Arbeiter, Kolonie, Privileg oder Schiffe. Nach Phase III wird abgerechnet.  

Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:

Deutsch, Englisch

Ludografische Angaben

Verlage:
Autoren:
Illustratoren:
Inventarnummer:
22548
Tags:
ess10
Kategorien:
Entwicklung/Aufbau, Experten, komplex
Erscheinungsjahr

2010
Spieler

2 - 5 Spieler
Alter

12 - 99 Jahren
Dauer

bis 90 Minuten

Rezension

Navegador
Expert                
 
Alter                   
Spezial                
 
Der
Herr der Rondelle
 
Navegador
 
Eins, zwei oder drei …
… Du musst Dich
entscheiden, drei Felder sind frei. Dieses Prinzip aus der bekannten TV-Show
für Kinder umschreibt auch sehr gut den innovativen Mechanismus, den Mac Gerdts
für die Auswahl der Aktionen erfunden hat: Das Rondell. Abstrakt gesehen ist es
ein Kreis, der in acht tortenstückförmige Felder unterteilt ist, wobei jedes
Feld für eine Aktion steht. Auf diesem Kreis bewegen die Mitspieler ihre
Markierungssteine wie die Zeiger einer Uhr und entscheiden selbst, welche
Aktion sie als nächstes ausführen wollen. Beim Rondell handelt es sich aber
nicht bloß um ein anderes Wahlverfahren für Aktionen, es entsteht dabei auch
ein dynamischeres Spielgefühl, da die meisten der möglichen Aktionen (Einnehmen
oder Ausgeben von Geld bzw. Ressourcen) nur wenig Zeit in Anspruch nehmen. Und
so wie sich ein Film aus Einzelbildern zusammensetzt, erzeugen hier viele kurze
Aktionen einen beinahe mitreißenden Spielfluss, der kaum Wartezeiten aufkommen
lässt (sofern nicht ein unverbesserlicher Grübler mitspielt).
Verstärkt wird dieser
Beschleunigungseffekt noch durch folgende Besonderheit: Es geht hier weniger darum,
sein Kapital effizient einzusetzen, zu optimieren sind vielmehr die Aktionen
selbst; mit möglichst wenig Aktionen sollte ein Zwischenziel erreicht werden,
damit zum Spielende eine Chance auf den Sieg besteht. So verlagert sich die für
Mitspieler sonst oft zeitlich quälende Frage „ich bin jetzt dran, was soll ich
tun?“ auf „ich war gerade dran, was mache ich als nächstes?“ – worauf sich
zumeist eine Antwort während der Aktionen der Mitspieler finden lässt, zumal
auf dem Rondell nur das Weiterrücken um bis zu drei Felder kostenfrei möglich
ist. Deren Überspringen und das Nutzen einer „späteren“ Aktion muss hingegen
bezahlt werden, weshalb davon seltener Gebrauch gemacht wird. Zugleich lässt sich
aufgrund dieser Regel versuchen, die möglichen nächsten Aktionen der Mitspieler
abzuschätzen.
Zusätzlich zu der jeweiligen
atmosphärisch sehr dichten Umsetzung eines Themas gibt es als sehr netten
Service stets auch ein Beiheft mit historischen Hintergrundinformationen, mit
denen das Spielerlebnis nochmals intensiviert werden kann. Positiv fallen auch
die sonstigen Ausstattungen der Rondell-Spiele auf. Bei den weiteren Gemeinsamkeiten
ist das Fehlen von Glückselementen hervorzuheben. Dass es dennoch nicht zu
schachähnlichen Zuständen kommt, ist zum einen dem Rondell, zum anderen der
Interaktion zwischen den Mitspielern zu danken. Die Spielanleitungen bestehen jeweils
aus einem relativ schlanken Regelwerk, das Meiste ist außerdem schlüssig und
stimmig umgesetzt sowie leicht nachzuvollziehen. Die Spielregeln sind also
nicht kompliziert, aber auf eine anregende Art komplex.
Antike: Die
sandalentragenden Gefährten
In dem ersten Werk ist das
Rondell mit geradezu puristischer Schönheit ausgestattet: Drei Felder für das
Einnehmen von Ressourcen (Marmor, Gold oder Eisen), drei Felder, um diese
wieder auszugeben und zwei Felder für die Bewegung der Armeen und Flotten.
Damit entsteht eine ganze Spielewelt, bestehend aus kleineren Scharmützeln bis
zu komplexen Feldzügen von bis zu sechs sich entwickelnden Völkern im
Mittelmeerraum oder – auf der Rückseite des Spielplans –  in dem Gebiet, in dem
einst Alexander groß geworden ist. „Antike“ ist aber kein Kriegs- bzw. „reines
Bubenspiel“, zumal auch friedliche Strategien möglich sind. Da sich der Ausgang
eines Kriegszuges eindeutiger vorhersagen lässt als die Antwort des Orakels von
Delphi, kann sich das Endspiel aber etwas hinziehen. Außerdem ist der
Optimierungscharakter sehr stark ausgeprägt, sodass Neulinge gegen versierte
Feldherren kaum eine Chance haben.
Imperial: Die zwei Dimensionen
Auf den ersten Blick wirkt
„Imperial“ wie ein in den 1. Weltkrieg zeitgereistes „Antike“; und zunächst hat
es auch den Anschein, als würden die Mitspieler etwa als König von Italien, Zar
von Russland oder als „Wir sind Kaiser“ von Österreich-Ungarn beginnen. Tatsächlich
sind wir aber anonyme Investoren, die mit eigenem Kapital die Kriegskassen der
Großmächte füllen und dafür nicht bloß Kreditschuldscheine erhalten, sondern
auch gleich die Regierungsgeschäfte übernehmen (ähnlich dem
Mehrheitsgesellschafter eines Unternehmens). Das richtige Timing, das Nutzen
der Aktionen zum jeweils besten Zeitpunkt, ist bei dieser Kombination aus
wertpapierspekulativen und kriegerischen Spielelementen besonders entscheidend.
Gelungen ist nicht nur die Ausgewogenheit zwischen Börse und Krieg, darüber hinaus
bietet keines der Länder einen Startvorteil; deren Wachstum (oder Misserfolg)
hängt vielmehr von der Interaktion der Mitspieler ab (sodass letztlich auch
Neulinge gewinnen können). Entgegen der „Rondell-Parabel” (in Lessings „Nathan
der Weise“) ist „Imperial“ unter den Rondell-Spielen jedenfalls eindeutig der
Vorzug zu geben. Mit „Imperial 2030“ ist im Vorjahr auch eine Variante
auf einer zukünftigen Weltkarte als Spielplan erschienen. Hier fallen jedoch
die nicht gleichwertigen geografischen Ausgangsbedingungen der sechs Großmächte
auf. Manche „picken“ eng zusammen, andere verfügen wiederum über einen gewissen
Sicherheitsabstand.   
Hamburgum: Die Rückkehr des Doppelspielplans
Der vorläufige Abschluss
der Rondell-Trilogie überrascht mit der Abwesenheit von Militär. Aber auch im
spielerischen Hamburg des 17. Jahrhunderts gibt es bei der gemeinsamen
Errichtung von sechs Kirchen genügend Möglichkeiten, den Mitspielern in die
Alsterwasser-Suppe zu spucken. Das Handelsgesetz zum hanseatischen Rondell
lautet:
§ 1   Waren produzieren (Bier, Zucker oder Tuch)
§ 2   Waren mit eigenen Schiffen verkaufen (Kontor)
§ 3   Baustoffe (Holz, Ziegel, Glocke) kaufen (Kontor)
§ 4   Baustoffe eintauschen (in Schiffe, Gebäude oder Kirchenspenden)
Mit diesen vier Grundregeln ist tatsächlich jeder seines (Kirchen-)Glöckchens
Schmied – die eigenen taktischen Überlegungen bei der spielerischen Bau-Statik muss
man sich also nicht durch Zufall (etwa aufgrund der trügerischen Statistik von
Würfeln) über den Haufen werfen lassen. Und auch bei dieser Wirtschaftssimulation
lohnt es sich wieder, den Spielplan umzudrehen: „swinging Londinium“ amüsiert
nicht nur die Queen. Aber leider sind diese beiden ersten Spielpläne grafisch
nicht gut umgesetzt. Seit heuer gibt es mit „Antverpia“ endlich auch
zwei wunderschön gestaltete Varianten mit leicht geänderten Regeln (ebenso wie
bei „Lisboa“ mit der Möglichkeit, diese auf boardgamegeek.com runterzuladen
und selbst auszudrucken). Und wenn man den neuen Spielplan von „Hamburgum“ um
die Grenzen der Stadtviertel ergänzt, ist dieser auch mit den Basisregeln
spielbar.  
 
Die Prinzen von Machu Picchu: Das Rondell
neu erfunden
Anstatt auf einem Rondell fährt man hier mit
seiner Hauptspielfigur in den 15 Vierteln der Inka-Stadt herum, und löst damit
jeweils eine Aktion aus. Derart ist das Rondell quasi in einer unsichtbaren Weise
involviert, es kommen jedoch nur dessen Vorzüge – schnelle, dynamische
Spielweise durch kurze Züge bzw. Aktionen – und nicht die von manchen am
Rondell kritisierte „mechanische und trockene“ Spielweise zur Geltung; außerdem
gibt es einen sogar noch gesteigerten Grad an Interaktion. Mit dem Nachziehen
von „Opferkarten“ (die letztlich die Siegpunkte bringen) kommt zwar erstmals
ein Glückselement in ein Spiel von Mac Gerdts, das
auch ein frustrierendes Endergebnis bedeuten kann. Dafür gibt es eine spannungserhöhende
alternative Spielendebedingung, angelehnt an die bekannte Pointe aus einem
Sketch von Monty Python: „Nobody expects the Spanish Inquisition“ (und auch
Lamas sind fast so zahlreich vertreten wie im Vorspann zu „Die Ritter der
Kokosnuss“).
 
Navegador: Back to the Rondell-Roots?
Der Titel des neuen Spiels führt uns in dessen
Thema ein: Navegador bedeutet Seefahrer auf Portugiesisch. Spielthema sind also
die Entdeckungen und die koloniale Ausbreitung Portugals im 15./16.  Jahrhundert.
Der – sehr schöne – Spielplan zeigt demnach ua. einen Ausschnitt der Weltkarte
mit Portugal, Afrika, Brasilien, Teilen von Südasien bis nach Japan (dabei
lassen sich mit Zanzibar, Goa, Macao und auch Vasco da Gama frühere
Spielebekannte verorten).
Die Spielmechanismen bieten zunächst die
Möglichkeit, mit den eigenen Schiffen auf den Meeresgebieten herumzusegeln. Zum
einen, um damit bislang noch unbekanntes Land zu entdecken, zum anderen, um
dort in weiterer Folge Kolonien (= Plantagen) zu gründen. Eigene Kolonien
erlauben den Verkauf von Zucker, Gold bzw. Gewürzen auf dem allgemeinen Markt,
was natürlich Geld bringt, jedoch fällt dadurch der Preis für nachfolgende
Verkäufe. Faktoreien lassen die Warenpreise wieder ansteigen und bringen dem
jeweiligen Besitzer umso mehr Erlös, je niedriger die aktuellen Preise sind.
Neben Faktoreien können die Mitspieler auch Werften (für günstige Schiffe) und
Kirchen (für günstige Arbeiter) bauen; neben Geld sind für das Errichten von
Gebäuden auch noch Arbeiter notwendig, je mehr desto besser.
Das Rondell setzt sich hier also aus folgenden
Aktionen zusammen: Schiffe-Bau, Segeln, Kolonie-Gründen, Arbeiter-Anwerben,
Gebäude-Errichten und zweimal Markt (für den Warenverkauf bzw. zur Verwendung
der eigenen Faktoreien). Das achte Feld nennt sich „Privileg“: Dort bekommt man
Plättchen, die als Multiplikatoren für Siegpunkte dienen. Denn natürlich ist
das Herumsegeln (samt Ausbeuten fremder Länder im Frühkapitalismus) kein
Selbstzweck, letztlich geht es um Siegpunkte. Siegpunkte gibt es für alles: Jedes
entdeckte Land, jede Kolonie, jede Faktorei, jede Werft und jede Kirche bringen
zu Spielende einen bestimmten Grundwert von ein bis vier Siegpunkten. Mit jedem
Privileg lässt sich dieser Grundwert erhöhen: Etwa jede Werft zählt dann nicht
bloß drei Punkte, sondern fünf oder sogar mehr (bis maximal neun). Die Kolonien
lassen sich zwar nur von eins auf maximal vier Punkte steigern, dafür kann man
in einer Partie üblicherweise mehr Kolonieplättchen als Werften einheimsen, was
in der Multiplikation auch ein schönes Endergebnis bedeuten kann. Lediglich die
Schiffe, Arbeiter und das Restgeld sind punktemäßig nicht steigerbar (sollen
aber ohnehin primär als Mittel zum Zweck dienen).
Im Unterschied zu den früheren Rondell-Spielen
fällt auf, dass das Rondell bei „Navegador“ mehr unterschiedliche Aktionen
aufweist, von denen auch nahezu alle regelmäßig genützt werden müssen. Ohne
Schiffsbau kein Entdecken und auch das Segeln und das Gründen von Kolonien ist
mit den bloß zwei Schiffen zu Spielbeginn wenig effektiv; ohne Arbeiter
wiederum keine Gebäude bzw. Privilegien. Da aber selbst mit mehreren Werften
bzw. Kirchen neue Schiffe und neue Arbeiter auch noch Geld kosten, kann man es
sich kaum leisten, den Markt nicht zweimal pro Rondell-Runde aufzusuchen. Für
das Gründen von Kolonien und das Errichten von Gebäuden braucht es natürlich
ebenfalls (sogar recht viel) Geld, ohne Kolonien bzw. Faktoreien wird man
wirtschaftlich jedoch sehr bald von den Mitspielern abgehängt sein.
Dieser Umstand führt dazu, dass die Mitspieler
– jedenfalls im ersten Spieldrittel – auf dem Rondell fast nur schrittweise
vorankommen, erst nach Aufbau einer ausreichenden wirtschaftlichen Basis kann
man versuchen, Prioritäten zu setzen bzw. eigene Strategien zu entwickeln.
Dadurch entsteht ein etwas anderes Spielgefühl als bei den früheren
Rondell-Spielen. Man hat bei „Navegador“ sogar fast den unangenehmen Eindruck,
vom Rondell gespielt zu werden, zumal sich von den drei möglichen „Gratis-“Aktionen
ohnehin stets eine als die Zweckmäßigste anbietet. Dazu kommt noch, dass es
noch nie so teuer war, mehr als drei Schritte auf dem Rondell vorzunehmen: Pro
weiteres Feld ist hier nämlich ein bereits zu Wasser gelassenes Schiff zu
versenken! Das erscheint thematisch zwar stimmig, bedeutet aber nicht bloß den
Verlust von je einem Siegpunkt, sondern auch von früheren bzw. sogar späteren Aktionen.
Dadurch fühlt sich das Rondell hier beinahe wie ein enges Korsett an, das einem
kaum Luft lässt, um – wie in den früheren Rondell-Spielen – quasi „leichtfüßig“
gleich mehrere Felder zu überspringen, um seine Mitspieler durch einen
gelungenen Zug zu überraschen. Auch lassen die Spielmechanismen ein Element
vermissen, das den (sich bis zum Spielende kumulierenden) Vorteil der zu Beginn
wirtschaftlich führenden Mitspieler ausgleicht. Wenn man etwa in der ersten
Rondell-Runde den „Fehler“ begeht, die Aktionen Schiffe-Bau oder
Arbeiter-Anwerben effektiver nutzen zu wollen, wird man sich letztlich mit
einem der letzten Plätze begnügen müssen.  
Deswegen ist „Navegador“ kein schlechtes
Spiel; die Umsetzung des historischen Themas ist wieder sehr stimmig gelungen
und die gegebenen Eigenheiten können sogar zu einer noch flotteren Partie
führen, als dies bei den anderen Rondell-Spielen der Fall war (angeblich kann sie
sich sogar in einer Stunde ausgehen). Ein kleines Glückselement ist auch hier enthalten,
dieses sollte sich aber eher nur in Ausnahmefällen auf den Spielsieg auswirken.
Gerade aufgrund der vom Autor angedachten „etwas leichteren Zugänglichkeit“
wäre die Beilage von Kurzspielregeln wünschenswert gewesen; zwar finden sich
Teile der Regeln in Symbolen auf dem Spielplan und den Spieler-Tableaus wieder,
für die ersten Partien wäre jedoch auch eine textliche Stütze sehr hilfreich.
 
Harald Schatzl
Harald.Schatzl@spielen.at
 
 
 
Spieler         : 2-5
Alter            : ab 12 Jahren
Dauer           : ca. 90 min
 
Autor           : Mac Gerdts
Grafik          : Marina Fahrenbach, Mac
Gerdts
Titel            : ???????
Preis            : ca. 35,00 Euro
Verlag          : PD-Verlag
 
www.pd-verlag.de
 
Genre                   :Aufbau- und
Entwicklungsspiel
Ziegruppe              :Mit Freunden Freunde
Mechanismen         :Entdecken von
Spielplanfeldern
  
Kommenar:
Stimmiges Ineinandergreifen von Thema und
Mechanismen
Schöne Ausstattung und Grafik
Keine Kurzspielregeln
 
Vergleichbar mit:
Hamburgum
 
Harald Schatzl
Das vierte „richtige“ Rondell-Spiel bietet
zwar wieder ein sehr schönes und spannendes Spielerlebnis, wird für die
„Evolution“ des Rondells aber wohl eher keinen Fortschritt bedeuten.
 
Meine Bewertung: 5
 
Zufall                            1
Taktik                  3
Strategie__                  2
Kreativität          
Wissen_              
Gedächtnis         
Kommunikation   1
Interaktion                   2
Geschicklichkeit 
Action