
Mystery Express
Urlaub im Orient-Express, und ein Mord während der Fahrt – die Spieler als Passagiere sollen den Fall lösen. Wird der Fall nicht gelöst, bevor der Zug Istanbul erreicht, gewinnt, wer die meisten der fünf Komponenten - Motiv, Tathergang, Verdächtige, Tatort und Tatzeit - richtig identifiziert hat. Jeder Streckenabschnitt bedeutet eine Spielrunde, in der alle Aktionen durchführen. Man muss Kartenpaare finden und damit Hinweise eliminieren. Wer dran ist kann die Figur bewegen, und je nach Zeitguthaben eine oder mehrere Aktionen ausführen, gegebenenfalls muss man im Waggon mit dem Schaffner sprechen. In den Stationen Straßburg, Wien und Budapest wird die Tatzeit ermittelt, in Straßburg und Wien steigen Passagiere zu, in München kann man Karten der Nachbarn anschauen und in Budapest Verdächtigungen abgeben und eine Karte auslegen.
Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:
DeutschLudografische Angaben
Verlage:
Autoren:
Illustratoren:
Inventarnummer:
21810
Tags:
nbg10
Kategorien:
Detektiv, Denken
Rezension
Mystery Express
Mit Freunden
Alles einsteigen,
Leichenzug fährt ab!
Mystery Express
Nächster Halt: Klein-Mordbuben!
Kid
Family
Friends ein
Expert
Alter
Spezial
Der Orient-Express verkehrte seit 1883 und verband
Frankreich mit dem Balkan und führte ab 1888 bis nach Konstantinopel. Ihre
größte Zeit erlebte die als Luxusreisezug gegründete Eisenbahnverbindung,
unterbrochen nur vom Weltkrieg 1914 – 1918, zwischen etwa 1890 und 1939. Der
Zweite Weltkrieg und die folgende Spaltung Europas führten zwar zu immer wieder
geänderten Streckenführungen, das endgültige Aus kam aber tatsächlich erst mit
dem Winterfahrplan 2009. Längst keine exklusive Annehmlichkeit der begüterten
Klassen mehr, trugen vor allem das geänderte Reiseverhalten und die
Aushungerung der Bahnstrecken durch auf Geschwindigkeit und Gewinn getrimmte
Verkehrspolitik zum Ende der berühmten Linie bei. Für einen Nostalgiezug in
dieser Dimension – die Reisezeit betrug zum Beispiel um 1900 siebzig Stunden
auf einer Strecke von annähernd 3200 Kilometern – besteht im regulären
Bahnbetrieb kein Bedarf mehr.
In Erinnerung bleiben die luxuriösen Salon- und
Schlafwagen wohl am ehesten durch die Romane „Stamboul Train“ von Graham Greene
(1932, in den Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Titel „Orient-Express“
erschienen) und „Murder on the Orient Express“ von Agatha Christie (1934), und
die Verfilmungen des letzteren (vor allem die Version von Sidney Lumet aus dem
Jahre 1974). Sean Connery, der darin einen der Verschworenen, Colonel
Arbuthnot, verkörperte, hatte übrigens schon als Agent James Bond im
Geheimdienst ihrer Majestät ein kurzes Abenteuer an Bord des Zuges zu bestehen
gehabt (in „From Russia With Love“, 1963).
Die Bahnverbindung war auch in unserer Welt vor
kriminellen Ereignissen (Taschendiebstähle, Entführungen, Überfälle, mindestens
ein Mord) nicht gefeit, jedoch keineswegs das bevorzugte Ziel von
Eisenbahnräubern oder ähnlichen zwielichtigen Existenzen.
Dies ändert sich aber mit dem Spiel „Mystery Express –
Ein Zug-Krimi“ der französischen Autoren Antoine Bauza (zum Beispiel auch
„Ghost Stories“) und Serge Laget (unter anderem „Das Geheimnis der Abtei“).
Drei bis fünf Reisende entdecken an Bord des Zuges, der sie von Paris nach
Istanbul bringen soll, einen Mord. Jeder für sich will die fünf entscheidenden
Fragen (Wer? Wie? Wo? Warum? Wann?) klären und dadurch den Täter oder die
Täterin überführen. Fünf Runden hat man Zeit, bis der Bahnhof von Istanbul
erreicht ist, wo die örtliche Mordkommission den Fall übernimmt und der oder
die Schuldige entlarvt, Motiv, Tathergang, Tatort und Tatzeit enthüllt werden.
Das längliche Spielbrett bildet im oberen Drittel die
möglichen Tatorte ab (sechs thematisch unterschiedliche Waggons), die beiden
unteren Drittel werden von der Zeitleiste – Bahnhofsplakate für Paris,
Straßburg, München, Wien, Budapest und Istanbul – und Ablageflächen für
Informationskarten eingenommen. Aus zu Beginn verteilten und im Laufe des
Spieles neu dazukommenden Verbrechenskarten soll man jene verdeckt zufällig
gezogenen Karten, welche die Bluttat genau beschreiben, herausfinden.
Klingt nach einer weiteren Cluedo-Variante, und ist auch
kaum etwas anderes. Einige Unterschiede lohnt es jedoch festzuhalten. Zum
ersten fällt sofort die prächtige Ausstattung des Spieles auf. Die Illustrationen
von Julien Delval beschwören die Illusion einer vergangenen Zeit herauf, am
ehesten denkt man an die Epoche zwischen Fin de Siècle und frühe 1920er Jahre.
Aufwändig auch die Karten – sie differieren nicht nur in der Farbe der
Rückseite (für Motiv, Tatort, etc.), selbst das stilisierte Emblem der fiktiven
Eisenbahngesellschaft bietet kleinste Varianten in jeder Verwendungsgruppe, für
den Tatzeitpunkt gibt es ein eigenes Set, komplett anders in Form, Farbe und
Größe zu den übrigen Karten. Liebenswerte Gimmicks ergänzen den Satz
raffiniert gestalteter Spielfiguren aus Kunstharz, selbstverständlich ebenfalls
in unterschiedlichem Kolorit. So darf sich die jeweilige Startperson der
einzelnen Runden mit einer Trillerpfeife schmücken, eine kleine Reisetasche
übernimmt eine nicht unwichtige Rolle, und eine glänzend-schwarze
Miniaturdampflok zeigt den Rundenfortschritt auf der Fahrtstrecke an. Des
weiteren ist jede Karte in doppelter Ausführung (Zeitkarten dreifach)
vorhanden, es gilt also, den jeweils fehlenden Zwilling (bzw. Uhren-Drilling)
zu ermitteln. Auch die Art der Ermittlung weicht von Bekanntem ab: in den
sechs Wagen sind ebenso viele unterschiedliche Arten von Manövern vorgesehen,
um auf das Verbrechen Rückschlüsse zu ziehen. So kann man im Schlafwagen mit
etwas Glück das Gepäck einer oder eines Mitreisenden – will sagen: die
Handkarten einer Mitspielerin oder eines Mitspielers – durchsuchen, im
Clubwagen neu zugestiegene Fahrgäste (Nichtspielerpersonen an den Haltestellen
Straßburg und Wien) filzen oder im Abteilwagen einen Rundumtausch einer
einzelnen Kategorie Karten veranlassen, und ähnliches mehr. Als Bonus darf man
in jeder Runde auch den Schaffner (ebenfalls eine Nichtspielerperson, jedoch
mit eigener Spielfigur in mausgrau) befragen. Jede Aktion darf nur einmal pro
Reisegast und Runde ausgeführt werden, jede Aktion benötigt auch
unterschiedlich lange (Spiel-)Zeit. Wieviel davon vorhanden ist, variiert von
Streckenabschnitt zu Streckenabschnitt. Interessanterweise dauert etwa die Fahrt
von Wien nach Budapest fünf Stunden, die Bahn braucht aber ebenso lange von
Budapest nach Istanbul.
Damit wären wir bei der Aufzählung der unglücklich
gewählten Spielelemente angelangt. Auch bei Cluedo bestand von Anfang an –
jenes klassische Detektivspiel kam immerhin schon 1948/49 auf den Markt – das
logische Dilemma, dass man an der Leiche die Todesart nicht feststellen
konnte. Eigentlich wird doch selbst ein Laie erkennen, ob ein Mensch mittels
einer Stichverletzung, eines schweren Gegenstandes auf den Schädel oder einer
Strangulation vom Leben zum Tode gebracht worden ist. Wer den Film „Clue“
(1985; Regie: Jonathan Lynne – möglicherweise die erste Verfilmung eines
Gesellschaftsspieles) kennt, hat zumindest in Ansätzen eine Lösung für dieses
Problem. Dieses Rätsel wird in „Mystery Express“ ebensowenig befriedigend
gelöst, wobei hier immerhin noch die Möglichkeit einer „unbekannten“ Todesart
angeboten wird. Völlig widersinnig erscheint jedoch das Element der Tatzeit.
Wenn der Zug den Pariser Ostbahnhof verlässt (das Original tat dies zum
Beispiel auf seiner allerersten Fahrt um 18:30 Uhr) ist der Mord schon
geschehen, die Reisenden nehmen sofort die Ermittlungen auf. Als Tatzeit wird
jedoch ein Rahmen von sage und schreibe acht Stunden (4:00 bis 12:00) geboten –
hat das Reinigungspersonal am Bahnhof Gare de l’Est etwa nicht gründlich
gewischt oder gestreikt? Da die Tatzeit-Karten völlig anders als die anderen
Verbrechenskarten aussehen – sie zeigen eine Uhr ohne Ziffern, die Zeigerstände
sind somit nicht leicht lesbar –, werden sie auch in jeder zweiten Runde nach
genau festgelegten, differierenden Methoden offen ausgelegt und gleich wieder
verdeckt, Notizen darf man erst danach aus dem Gedächtnis anlegen. Die
unterschiedlichen Wege, Mitspieler zum Vorzeigen ihrer Handkarten zu nötigen
sind zwar liebevoll durchdacht, aber ebenfalls nicht wirklich logisch und oft
auch verwirrend. Immerhin räumt die – sehr ausführliche und sogar passabel
gegliederte, mithin gute – Spielregel gleich zu Beginn ein, es bestehe durchaus
die Gefahr, dass niemand alle fünf Elemente der Tat ermittelt (dann gewinnt,
wer am meisten Punkte richtig erraten hat). Und wirklich, in keinem
Probedurchlauf konnte das ganze Verbrechen aufgeklärt werden. Gewonnen hat,
nebenbei bemerkt, jedes Mal die einzige Reisende (orange Figur), die als
Sonderfunktion in jeder Runde eine Stunde mehr an Ermittlungszeit zugestanden
kriegt, während alle anderen eine zusätzliche Karte (in der Farbe ihrer
Spielfigur) ansehen dürfen – bloß ein Zufall? Auch dieses Spiel bleibt nur mit
der Mindestspieleranzahl im vom Verlag vorgegebenen Zeitrahmen, Verwirrung und
Dauer nehmen mit Anzahl der Mitspieler beinahe exponentiell zu.
Anders als bei vergleichbaren Krimispielen endet eine
Partie im „Mystery Express“ immer mit der Ankunft in Istanbul, also nach der
fünften Runde, egal, ob irgendjemand oder gar niemand den wahren Tathergang
entschlüsselt hat.
Die Annahme, dass Amateurdetektive ein Verbrechen nur
lückenhaft aufklären können, ist gegenüber den übrigen Anteilen geradezu
hyperrealistisch, lässt aber stets eine gewisse Unzufriedenheit zurück. Der
Anreiz, das Spiel ein drittes oder gar viertes Mal zu wagen, ist daher trotz
der fabelhaften Ausstattung leider endenwollend.
Martina & Martin Lhotzky, Marcus Steinwender
Spieler : 3 – 5
Alter : ab 12
Dauer : 90 – 120 Minuten
Autoren : Antoine Bauza, Serge Laget
Grafik : Julien Delval
Vertrieb A. : Piatnik
Preis : ca. 45,00 Euro
Verlag : Days of Wonder 2010
www.daysofwonder.com
Genre : Krimispiel
Zielgruppe : Freunde
Mechanismen : Ermittlung der fehlenden Karten
Zufall : 6
Wissen :
Planung : 6
Kreativität :
Kommunikation : 7
Geschicklichkeit :
Action : 4
Kommentar:
Sehr schönes und stimmiges Material
Spiel endet immer in Endstation, nicht mit Lösung des Falls
Zu lange Spieldauer für Spannungsbogen
Vergleichbar: Cluedo (und diesem ähnliche Deduktionsspiele)
Atmosphäre : 5
Martina, Martin und Marcus:
Das schöne Spiel im Mord-Express hält leider nicht ganz, was
die tolle Aufmachung verspricht. Zu lange Dauer bei unnötig komplizierten
Täuschungs- und Enthüllungsmanövern, gepaart mit einer zu geringen Chance, das
Rätsel anders als durch Zufall zu lösen.
Mit Freunden
Alles einsteigen,
Leichenzug fährt ab!
Mystery Express
Nächster Halt: Klein-Mordbuben!
Kid
Family
Friends ein
Expert
Alter
Spezial
Der Orient-Express verkehrte seit 1883 und verband
Frankreich mit dem Balkan und führte ab 1888 bis nach Konstantinopel. Ihre
größte Zeit erlebte die als Luxusreisezug gegründete Eisenbahnverbindung,
unterbrochen nur vom Weltkrieg 1914 – 1918, zwischen etwa 1890 und 1939. Der
Zweite Weltkrieg und die folgende Spaltung Europas führten zwar zu immer wieder
geänderten Streckenführungen, das endgültige Aus kam aber tatsächlich erst mit
dem Winterfahrplan 2009. Längst keine exklusive Annehmlichkeit der begüterten
Klassen mehr, trugen vor allem das geänderte Reiseverhalten und die
Aushungerung der Bahnstrecken durch auf Geschwindigkeit und Gewinn getrimmte
Verkehrspolitik zum Ende der berühmten Linie bei. Für einen Nostalgiezug in
dieser Dimension – die Reisezeit betrug zum Beispiel um 1900 siebzig Stunden
auf einer Strecke von annähernd 3200 Kilometern – besteht im regulären
Bahnbetrieb kein Bedarf mehr.
In Erinnerung bleiben die luxuriösen Salon- und
Schlafwagen wohl am ehesten durch die Romane „Stamboul Train“ von Graham Greene
(1932, in den Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Titel „Orient-Express“
erschienen) und „Murder on the Orient Express“ von Agatha Christie (1934), und
die Verfilmungen des letzteren (vor allem die Version von Sidney Lumet aus dem
Jahre 1974). Sean Connery, der darin einen der Verschworenen, Colonel
Arbuthnot, verkörperte, hatte übrigens schon als Agent James Bond im
Geheimdienst ihrer Majestät ein kurzes Abenteuer an Bord des Zuges zu bestehen
gehabt (in „From Russia With Love“, 1963).
Die Bahnverbindung war auch in unserer Welt vor
kriminellen Ereignissen (Taschendiebstähle, Entführungen, Überfälle, mindestens
ein Mord) nicht gefeit, jedoch keineswegs das bevorzugte Ziel von
Eisenbahnräubern oder ähnlichen zwielichtigen Existenzen.
Dies ändert sich aber mit dem Spiel „Mystery Express –
Ein Zug-Krimi“ der französischen Autoren Antoine Bauza (zum Beispiel auch
„Ghost Stories“) und Serge Laget (unter anderem „Das Geheimnis der Abtei“).
Drei bis fünf Reisende entdecken an Bord des Zuges, der sie von Paris nach
Istanbul bringen soll, einen Mord. Jeder für sich will die fünf entscheidenden
Fragen (Wer? Wie? Wo? Warum? Wann?) klären und dadurch den Täter oder die
Täterin überführen. Fünf Runden hat man Zeit, bis der Bahnhof von Istanbul
erreicht ist, wo die örtliche Mordkommission den Fall übernimmt und der oder
die Schuldige entlarvt, Motiv, Tathergang, Tatort und Tatzeit enthüllt werden.
Das längliche Spielbrett bildet im oberen Drittel die
möglichen Tatorte ab (sechs thematisch unterschiedliche Waggons), die beiden
unteren Drittel werden von der Zeitleiste – Bahnhofsplakate für Paris,
Straßburg, München, Wien, Budapest und Istanbul – und Ablageflächen für
Informationskarten eingenommen. Aus zu Beginn verteilten und im Laufe des
Spieles neu dazukommenden Verbrechenskarten soll man jene verdeckt zufällig
gezogenen Karten, welche die Bluttat genau beschreiben, herausfinden.
Klingt nach einer weiteren Cluedo-Variante, und ist auch
kaum etwas anderes. Einige Unterschiede lohnt es jedoch festzuhalten. Zum
ersten fällt sofort die prächtige Ausstattung des Spieles auf. Die Illustrationen
von Julien Delval beschwören die Illusion einer vergangenen Zeit herauf, am
ehesten denkt man an die Epoche zwischen Fin de Siècle und frühe 1920er Jahre.
Aufwändig auch die Karten – sie differieren nicht nur in der Farbe der
Rückseite (für Motiv, Tatort, etc.), selbst das stilisierte Emblem der fiktiven
Eisenbahngesellschaft bietet kleinste Varianten in jeder Verwendungsgruppe, für
den Tatzeitpunkt gibt es ein eigenes Set, komplett anders in Form, Farbe und
Größe zu den übrigen Karten. Liebenswerte Gimmicks ergänzen den Satz
raffiniert gestalteter Spielfiguren aus Kunstharz, selbstverständlich ebenfalls
in unterschiedlichem Kolorit. So darf sich die jeweilige Startperson der
einzelnen Runden mit einer Trillerpfeife schmücken, eine kleine Reisetasche
übernimmt eine nicht unwichtige Rolle, und eine glänzend-schwarze
Miniaturdampflok zeigt den Rundenfortschritt auf der Fahrtstrecke an. Des
weiteren ist jede Karte in doppelter Ausführung (Zeitkarten dreifach)
vorhanden, es gilt also, den jeweils fehlenden Zwilling (bzw. Uhren-Drilling)
zu ermitteln. Auch die Art der Ermittlung weicht von Bekanntem ab: in den
sechs Wagen sind ebenso viele unterschiedliche Arten von Manövern vorgesehen,
um auf das Verbrechen Rückschlüsse zu ziehen. So kann man im Schlafwagen mit
etwas Glück das Gepäck einer oder eines Mitreisenden – will sagen: die
Handkarten einer Mitspielerin oder eines Mitspielers – durchsuchen, im
Clubwagen neu zugestiegene Fahrgäste (Nichtspielerpersonen an den Haltestellen
Straßburg und Wien) filzen oder im Abteilwagen einen Rundumtausch einer
einzelnen Kategorie Karten veranlassen, und ähnliches mehr. Als Bonus darf man
in jeder Runde auch den Schaffner (ebenfalls eine Nichtspielerperson, jedoch
mit eigener Spielfigur in mausgrau) befragen. Jede Aktion darf nur einmal pro
Reisegast und Runde ausgeführt werden, jede Aktion benötigt auch
unterschiedlich lange (Spiel-)Zeit. Wieviel davon vorhanden ist, variiert von
Streckenabschnitt zu Streckenabschnitt. Interessanterweise dauert etwa die Fahrt
von Wien nach Budapest fünf Stunden, die Bahn braucht aber ebenso lange von
Budapest nach Istanbul.
Damit wären wir bei der Aufzählung der unglücklich
gewählten Spielelemente angelangt. Auch bei Cluedo bestand von Anfang an –
jenes klassische Detektivspiel kam immerhin schon 1948/49 auf den Markt – das
logische Dilemma, dass man an der Leiche die Todesart nicht feststellen
konnte. Eigentlich wird doch selbst ein Laie erkennen, ob ein Mensch mittels
einer Stichverletzung, eines schweren Gegenstandes auf den Schädel oder einer
Strangulation vom Leben zum Tode gebracht worden ist. Wer den Film „Clue“
(1985; Regie: Jonathan Lynne – möglicherweise die erste Verfilmung eines
Gesellschaftsspieles) kennt, hat zumindest in Ansätzen eine Lösung für dieses
Problem. Dieses Rätsel wird in „Mystery Express“ ebensowenig befriedigend
gelöst, wobei hier immerhin noch die Möglichkeit einer „unbekannten“ Todesart
angeboten wird. Völlig widersinnig erscheint jedoch das Element der Tatzeit.
Wenn der Zug den Pariser Ostbahnhof verlässt (das Original tat dies zum
Beispiel auf seiner allerersten Fahrt um 18:30 Uhr) ist der Mord schon
geschehen, die Reisenden nehmen sofort die Ermittlungen auf. Als Tatzeit wird
jedoch ein Rahmen von sage und schreibe acht Stunden (4:00 bis 12:00) geboten –
hat das Reinigungspersonal am Bahnhof Gare de l’Est etwa nicht gründlich
gewischt oder gestreikt? Da die Tatzeit-Karten völlig anders als die anderen
Verbrechenskarten aussehen – sie zeigen eine Uhr ohne Ziffern, die Zeigerstände
sind somit nicht leicht lesbar –, werden sie auch in jeder zweiten Runde nach
genau festgelegten, differierenden Methoden offen ausgelegt und gleich wieder
verdeckt, Notizen darf man erst danach aus dem Gedächtnis anlegen. Die
unterschiedlichen Wege, Mitspieler zum Vorzeigen ihrer Handkarten zu nötigen
sind zwar liebevoll durchdacht, aber ebenfalls nicht wirklich logisch und oft
auch verwirrend. Immerhin räumt die – sehr ausführliche und sogar passabel
gegliederte, mithin gute – Spielregel gleich zu Beginn ein, es bestehe durchaus
die Gefahr, dass niemand alle fünf Elemente der Tat ermittelt (dann gewinnt,
wer am meisten Punkte richtig erraten hat). Und wirklich, in keinem
Probedurchlauf konnte das ganze Verbrechen aufgeklärt werden. Gewonnen hat,
nebenbei bemerkt, jedes Mal die einzige Reisende (orange Figur), die als
Sonderfunktion in jeder Runde eine Stunde mehr an Ermittlungszeit zugestanden
kriegt, während alle anderen eine zusätzliche Karte (in der Farbe ihrer
Spielfigur) ansehen dürfen – bloß ein Zufall? Auch dieses Spiel bleibt nur mit
der Mindestspieleranzahl im vom Verlag vorgegebenen Zeitrahmen, Verwirrung und
Dauer nehmen mit Anzahl der Mitspieler beinahe exponentiell zu.
Anders als bei vergleichbaren Krimispielen endet eine
Partie im „Mystery Express“ immer mit der Ankunft in Istanbul, also nach der
fünften Runde, egal, ob irgendjemand oder gar niemand den wahren Tathergang
entschlüsselt hat.
Die Annahme, dass Amateurdetektive ein Verbrechen nur
lückenhaft aufklären können, ist gegenüber den übrigen Anteilen geradezu
hyperrealistisch, lässt aber stets eine gewisse Unzufriedenheit zurück. Der
Anreiz, das Spiel ein drittes oder gar viertes Mal zu wagen, ist daher trotz
der fabelhaften Ausstattung leider endenwollend.
Martina & Martin Lhotzky, Marcus Steinwender
Spieler : 3 – 5
Alter : ab 12
Dauer : 90 – 120 Minuten
Autoren : Antoine Bauza, Serge Laget
Grafik : Julien Delval
Vertrieb A. : Piatnik
Preis : ca. 45,00 Euro
Verlag : Days of Wonder 2010
www.daysofwonder.com
Genre : Krimispiel
Zielgruppe : Freunde
Mechanismen : Ermittlung der fehlenden Karten
Zufall : 6
Wissen :
Planung : 6
Kreativität :
Kommunikation : 7
Geschicklichkeit :
Action : 4
Kommentar:
Sehr schönes und stimmiges Material
Spiel endet immer in Endstation, nicht mit Lösung des Falls
Zu lange Spieldauer für Spannungsbogen
Vergleichbar: Cluedo (und diesem ähnliche Deduktionsspiele)
Atmosphäre : 5
Martina, Martin und Marcus:
Das schöne Spiel im Mord-Express hält leider nicht ganz, was
die tolle Aufmachung verspricht. Zu lange Dauer bei unnötig komplizierten
Täuschungs- und Enthüllungsmanövern, gepaart mit einer zu geringen Chance, das
Rätsel anders als durch Zufall zu lösen.