
Mysterien der Templer
Im Zeitraum von 1119 bis 1312 zeichnet das Spiel die Geschehnisse um den Templerorden nach. Jeder Spieler führt eine Fraktion des Ordens, verwaltet Gelder und Handelsgüter, befehligt die Ritter und muss Reliquien wieder beschaffen … bis zum Beginn der Verfolgung. Historische Ereignisse sind ins Spielgeschehen einbezogen. Pro Runde werden zwei Aufgaben aufgedeckt, alle müssen sich daran beteiligen; dann kommen die Phasen Märkte, Ereignisse, Transporte mit Rittern, Karawanen und Schiffen und dann noch Ressourcen und Spielreihenfolge. Nach 15 Runden in drei Perioden bzw. 8 Verfolgungsrunden gewinnt man mit den meisten Siegpunkten.
Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:
DeutschLudografische Angaben
Verlage:
Redaktion:
Autoren:
Illustratoren:
Inventarnummer:
24744
Tags:
ess13
Kategorien:
Geschichte / historisches, Setz-/Position, Entwicklung/Aufbau, Experten, komplex
Rezension
Mysterien der Templer
UNSERE REZENSION
Die
Falle zu
Mysterien
der Templer
–
und viele Fragen offen
„al des grâles pflihtgesellen
von in vrâgens niht enwellen.“
(„Die Gralsritter wollten nicht
mehr befragt werden.“)
Wolfram von Eschenbach, „Parzival“
Der militärisch-geistliche Orden
„Arme Ritter Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem“ (Pauperes
commilitones Christi templique Salomonici Hierosalemitanis), uns allen
besser als Tempelritter oder Templerorden bekannt, wurde 1118 oder 1119 in
Jerusalem gegründet und 1312 vom Papst aufgehoben. Diese Auflösung wurde
übrigens laut dem Internetlexikon „Wikipedia“ vom Vatikan im Jahre 2006 und
erneut 2012 bestätigt. Mit der Ausbreitung seiner zahlreichen Niederlassungen
in (West-)Europa, dem Rückzug aus dem „Heiligen Land“ bis zur Verhaftung fast
aller Ordensbrüder und Ordensoberen im Königreich Philips IV. (heute in etwa
Frankreich ohne die Bretagne, ohne Burgund, Elsass, Lothringen und ohne die dem
englischen Königshaus untertänigen Teile des „Angevinischen Reiches“ auf dem
Festland) sowie den großteils nur (ungefähr seit dem XVII. Jhdt.) als Legenden
überlieferten unmittelbaren Folgen für weitere Ordensangehörige befasst sich
„Mysterien der Templer“.
Gleich vorab die Warnung: um sich
ins Geschehen stürzen zu können, benötigt man eine doch recht beachtliche freie
Fläche, allein das Spielbrett misst 72 cm x 104 cm (zwei Hälften à 72 x 52). Dazu
kommen noch Kartenauslagen und Platz für die ebenfalls zahlreichen Marker. Ist
also einmal das Spielzimmer von allen Hindernissen (wie Kisten, Kästen, Sofa
und Fernseher) geräumt, kann der Aufbau beginnen. Das Brett bildet in Form
einer vereinfachten Landkarte Europa (bis nördlich nach Schottland, Dänemark
und zum Baltikum), Vorderasien sowie die Nordküsten Afrikas inklusive
benachbarter Meeresflächen ab. Gebiete ungefähr östlich der Weichsel und
nördlich der Donau, da in den historischen Ereignissen für das Spiel
unbedeutend, dienen zur Ablage von Aktionskarten. Außen herum läuft die
Siegpunktzählleiste. Zusätzlich sind für die einzelnen (neun) Ordensprovinzen
noch Nutzungsfelder mit Symbolen für Ordenshäuser (Burgen, Komtureien),
fallweise wichtigen Kapellen sowie einem je entsprechenden Wappenschild (ein
passender Marker kennzeichnet, ob die Region bereits durch die Templer als
Provinz eingerichtet ist; ansonsten fallen für Erwerbungen dort wesentlich
höhere Gebühren an) aufgedruckt sowie (fünf) Felder, um den Transport von
Gütern zu Lande oder zu Wasser zu markieren.
Spielfiguren im eigentlichen
Sinne gibt es nicht. Die Mitspielenden erhalten aber neben farbig
entsprechenden hölzernen Siegelmarkern (kennzeichnen eigene Häuser oder Besitz
auf dem Spielfeld, der nicht in Häusern untergebracht ist) Spieltafeln, die
jeweils eine Ordensfraktion (blau, gelb, grün, rot) symbolisieren und zur
Zwischenlagerung von Besitztümern und Rittern sowie zur Ablage der Handkarten
dienen; weiters ein geringes Startgeld sowie Aktionsmarker für das Einsetzen
der Ritter. Auf die Stadtfelder des Spielplans werden noch je ein bis zwei
verdeckte Schatzmarker (Geld, Ritteranwärter und Artefakte) zufällig verteilt.
Gespielt werden höchstens
fünfzehn Runden in drei Epochen / Perioden sowie nach dem Aufdecken der
Ereigniskarte „1307: Die Verfolgung“ (irgendwann in der dritten Periode, womit
das reguläre Spiel endet) acht spezielle Runden, welche die Flucht der den
Verhaftungen Entgangenen nachstellen soll. Gewonnen hat, wer nach Ende der
Verfolgungen die meisten Siegpunkte (aus Geldbesitz und Reliquienschatzkarten)
sichern konnte.
Die einzelnen Runden laufen
gewöhnlich in fünf Phasen ab. In den Epochen I und II wählen die
Ordensfraktionen in der ersten Phase aus ihrem Satz von 5 „Tempelritterkarten“
(verdeckt) eine aus, welche die Aufteilung ihrer Ritterkräfte (Tapferkeit)
festlegt. Die Summe beträgt immer acht, die beiden Kontingente können von 7 / 1
bis zu 4 / 4 geteilt werden. Davon hängt ab, wie stark die im zweiten Schritt
zu erfüllenden Missionen unterstützt werden und wie hoch die Belohnungen
ausfallen. Erst wenn jede der „Tempelritterkarten“ einmal eingesetzt wurde,
steht der gesamte Satz erneut zur Verfügung. Die Missionen sind jeweils
Geleitschutz und die Suche nach einer wundersamen Reliquie (von biblischen
Schriftrollen über das Geburtshaus Mariens bis hin zum Heiligen Gral). Die
Fraktionen entscheiden nun, gleichfalls geheim, ob sie sich auf eine oder beide
Aufgaben einlassen wollen und markieren dies auf dem entsprechenden
Missionsfeld mit einem der beiden Rittermarker: zwei Helmsymbole = die gesamte
Tapferkeit für die gewählte Mission; ein Helmsymbol = die Tapferkeit teilt sich
entsprechend der „Tempelritterkarte“ auf beide Missionen, gegebenenfalls die
stärkere für jene Mission, unterhalb welcher der Marker liegt. Bei der Wahl von
Karte und Marker sind die Missionen verdeckt, was bedeutet, dass es sich in der
allerersten Runde auf jeden Fall um reine Spekulation handelt. Dann werden die
Aufträge enthüllt und abgehandelt, zuerst das Geleit, danach die Schatzsuche. Die
Tapferkeit aller Beteiligten wird addiert und mit der auf der Karte
aufgedruckten Zahl verglichen. Bei Gleichstand oder größerer Tapferkeit winkt
der Erfolg. Der Geleitschutz bringt immer allen Beteiligten Geld und, bei
positiver Erledigung, eine zusätzliche Belohnung entweder ebenfalls für alle
oder für diejenige Templerfraktion, die die meiste Tapferkeit eingesetzt hatte.
Bei den Reliquiengrabungen gibt es Siegpunkte bzw. (für die stärkste Fraktion)
das entsprechende Artefakt. Die Strafe bei Misserfolg besteht im Abzug von
Siegpunkten.
In der zweiten Phase jeder Runde
(in allen drei Epochen) können Güter ge- und verkauft werden. Der Kauf findet
prinzipiell im Heiligen Land statt, angeboten können die Waren gleichsam
überall dort werden, wo es Märkte (zu erkennen an einem fassartigen Symbol)
gibt.
Danach kommt die Ereignisphase. In
allen Perioden werden jetzt die obersten beiden Karten des Ereignisstapels
aufgedeckt, und in der den Ordnungszahlen auf den Karten entsprechenden
Reihenfolge abgewickelt. Die vier Arten, geordnet absteigend nach der Häufigkeit,
sind: Entwicklung – neue Provinzen werden gegründet, Gebäude errichtet, Spenden
eingezogen oder Marktplätze im Wert gesteigert; Transporte – Schifffahrts- und
Karawanenrouten werden angelegt und dürfen bereits in derselben Runde in Phase
vier genutzt werden; Feinde – Wegelagerer, Piraten und Krieger erscheinen
(entsprechend Marker auslegen) und müssen bei einem Zusammentreffen bekämpft
werden; Vorfälle – reale Ereignisse aus der Zeit der Kreuzzüge machen sich im
Spiel in den Perioden II und III bemerkbar; sobald in Epoche III der Vorfall
„1307: Die Verfolgung“ aufgedeckt wird, endet das reguläre Spiel sofort, es
beginnen die acht Endrunden.
Die vierte Phase ist dem
Transport von Besitztümern (und gegebenenfalls Rittern) gewidmet. Hier kann es
auch zu Kämpfen mit Seeräubern oder Banditen an Land kommen, bzw. greifen die
Sarazenenkrieger im Heiligen Land an. Die Auseinandersetzungen werden durch den
Vergleich der Kampfwerte entschieden. Zum Grundwert der Feinde (auf der
Ereigniskarte angegeben) wird ein Spezialwürfelwurf (1 – 3) addiert, die
Verteidiger (Kampfwert auf der jeweiligen Transportroutenkarte) können ihre
Kräfte durch Einsatz von Rittermarkern verstärken. Sind die Feinde erfolgreich,
verlieren die Verteidiger eine auf der entsprechenden Ereigniskarte vorgegebene
Anzahl an Gütern. Sarazenen dürfen zusätzlich von den Spieltafeln Beute
entwenden (kommt in den allgemeinen Vorrat zurück). Wehren die Verteidiger den
Angriff ab (bereits ab Gleichstand der Kampfwerte), verlieren die Angreifer
einen Marker. Liegt kein Feind-Marker mehr aus, ist das Gebiet gefahrlos
passierbar.
Die letzte Phase jeder Runde
dient dem Ressourcenmanagement. Die Belohnungen aus früheren Phasen werden nun
auf die Gebäude der Fraktionen verteilt. Etwa platziert man Reliquien in
Kapellen, um mehr Siegpunkte zu erhalten, rekrutiert Ritter (Novizenmarker
durch Rittermarker ersetzen) oder verschiebt Geld zwischen eigenen Komtureien. Ritter(marker)
dürfen zur Erkundung der Städte in ihrem Aufenthaltsgebiet genützt, also
verdeckte Schatzmarker begutachtet und mitunter aufgenommen werden. Für Siegel,
die irgendwo auf dem Spielfeld (nicht in eigenen Komtureien) ausliegen, etwa,
weil ein Transport in der entsprechenden Phase nicht abgeschlossen werden
konnte, muss „Unterhalt“ bezahlt werden.
Hebt die Verfolgung der Templer
durch König Philipp IV. an (Ereigniskarte „1307“), werden statt der bisherigen
Phasen nur mehr acht „Verfolgungsrunden“ mit den Phasen „Transporte“ und
„Ressourcen“ gespielt. Jede Fraktion bekommt ein Zufluchtsgebiet zugewiesen
(Schottland, das Deutschordensland mit der Marienburg, Zypern oder die Feste
Tomar in Portugal). Radial von Paris ausgehend werden in jeder Runde immer mehr
Gebiete für die Tempelritter zu Tabuzonen, sie versuchen nun, möglichst viel an
Geld und Artefakten in das ihnen zugewiesene Asyl zu schaffen. Wer dabei am
erfolgreichsten ist, gewinnt.
Zwei Zusatzvarianten –
individuelle Fähigkeiten für jede Ordensfraktion sowie individualisierte
Feindstärken – werden im Regelheft angeboten, konnten aber von uns nicht
getestet werden.
„Mysterien der Templer“ ist
vorderhand ein strategisches Ressourcenmanagementspiel, erdacht von Silvio
Negri-Clementi (von ihm stammt auch „Ventura“ 2010/2011 gleichfalls bei
Stratelibri bzw. Fantasy Flight Games erschienen). Die Spielregeln scheinen auf
den ersten Blick der Aufgabe, ein Gleichgewicht zwischen Spielvergnügen und
historischem Bezug (dazu später mehr) herzustellen, angemessen. Die Hürden
liegen aber im Detail. Unserer Einschätzung nach funktioniert das System leider
nicht zufriedenstellend. Während Kämpfe – durchaus realistisch – und, wenn die
schon sein müssen, „archäologische Forschungen“, mit einer gewissen
Berechtigung dem Zufall unterliegen, ist nicht einzusehen, dass dies auch für
andere Missionen und vor allem, für die territorialen Ausbreitungsmöglichkeiten
des Ordens oder gar Gütertransporte gelten soll. Auch das Eintreten der vier
gewählten Ereignisse – die Einnahme Jerusalems durch Sultan Saladins Truppen
1187, die Eroberung von Akkon unter Mamelukensultan Khalil 1291 und nicht
zuletzt die Razzien in Frankreich im Jahre 1307 (der vierte „Vorfall“, der
„Albigenserkreuzzug“ zwischen 1209 und 1229, hat, genau genommen, außer in
diversen neuzeitlichen Verschwörungstheorien, keinen nachweisbaren Einfluss auf
die Aktivitäten der Tempelherren gehabt) – war zwar auch eher zufällig, die
Reihenfolge dieser Vorfälle jedoch keineswegs. So hätte ohne die Vertreibung
der Templer aus dem Heiligen Land der französische König kaum die Möglichkeit
gesehen, den Orden zu zerschlagen und sich dies vom Papst, dem die Mönchsritter
formell unterstanden, absegnen zu lassen. Ereignisse sollten Ereignisse
bleiben, dürfen dabei gerne das Auftauchen von Räubern und feindlichen Truppen
beinhalten. Das beeinflusst die Transportwege ohnehin beträchtlich. Obwohl die
Eröffnung neuer Ordensprovinzen hauptsächlich in die erste Periode fällt,
können auch hier durch den Zufall der Kartenmischung bereits mehr
Transportrouten ausliegen, ohne dass Interessenten sich irgendwie mit Waren
hätten eindecken bzw. Absatzmärkte hätten schaffen können. Zu Spielbeginn ist
nämlich nur Frankreich frei zu bereisen und zu erkunden. Die Lösung könnte hier
aus mehr Ereignissen bestehen, aus denen aber bereits beim Spielaufbau eine
zufällige Auswahl getroffen werden müsste. In der ersten Periode zum Beispiel
mehr Marktbewegungen (Inflation gab es zwar im Mittelalter noch nicht in
unserem Sinne, Preisschwankungen kamen aber dennoch immer wieder vor) und mehr
Schenkungen, in der zweiten Periode vielleicht mehr und stärkere Räuber,
dazwischen dann diverse historisch gesicherte Einschnitte (mit Auswirkungen auf
die Tempelritter). Dann könnte die letzte Periode mit der bösen Überraschung
von 1307 durchaus unangetastet bleiben.
Seine Kräfte (Tapferkeit) bei der
ersten oder auch noch zweiten Mission spekulativ einzusetzen, scheint irgendwie
logisch. Dass man danach aber daran gebunden ist, auch die restlichen
Tapferkeitskarten aufzubrauchen, bevor man wieder völlig frei entscheiden darf,
wirkt willkürlich.
Auch das Regelheft selbst hätte
mehr Augenmerk verdient. Wie so oft gibt es kein Register und keinen Index,
nicht einmal ein Inhaltsverzeichnis. Viele Abschnitte sind umständlich oder
unklar formuliert, was, so unser Verdacht, auch an der Übersetzung liegt
(sowohl Deutsch als auch Englisch, und unser Italienisch reicht nicht für die
Lektüre der Ursprungsversion aus). Manche Regeln wirken widersprüchlich, etwa
was den Kauf von Gebäuden, den Transport oder die Handlungsmöglichkeiten in
Provinzen betrifft. Hingegen wird anderes, was einfach, logisch und sofort zu
begreifen ist, mehrfach und ausführlich wiedergekäut. Über diese
Unzulänglichkeiten kann leider weder die nette Grundidee noch das schön
gestaltete Spielmaterial (Ausnahmen: sowohl bei Reliquienmarkern als auch
–karten gibt es mehrere Druckfehler; und die Feind-Marker sind zu klein,
geradezu winzig!) hinwegtrösten.
Zur historischen Genauigkeit ist
noch anzumerken: man hat sich immerhin bemüht! Die Spielemacher weisen sogar
extra darauf hin, dass die Karte, die rund zweihundert Jahre europäischer
Geschichte darstellt, diverse territoriale Veränderungen nicht wiedergeben
kann. Aber auf die Einflussgebiete der englischen Krone, während jener Zeit
beinahe die Hälfte des heutigen Frankreich, ganz zu vergessen ist zu viel der
Ungenauigkeit. Dieses angevinische Reich bzw. das riesige Herzogtum Aquitanien
kam erst im Laufe des Hundertjährigen Krieges (1328/1337 – 1453) unter die
Kontrolle der französischen Könige. Viele der Wappenschilde zur Kennzeichnung
der Gebiete entsprangen wohl eher der Phantasie bzw. viel späteren Zeiten. Für
das sogenannte Heilige Römische Reich, im Spiel allerdings treffender und fast
zeitgenössisch als Ordensprovinz „Germanien“ (da ohne Oberitalien) bezeichnet,
wird zum Beispiel ein Wappen des Deutschen Kaiserreiches (1871 – 1918)
verwandt.
Speziell zur Geschichte des
Ritterordens liegt den „Mysterien der Templer“ ein – unglücklicherweise leider
ebenfalls unzulänglich übersetztes – Begleitheft („Historischer Anhang“) bei. Dabei
handelt es sich um eine lustige Mischung aus historischen Fakten, späteren
Legenden und wilden Mutmaßungen. Durchaus seriöse historische Fachbücher, etwa
von Alain Demurger oder Jonathan Riley-Smith wurden herangezogen. Aber auch die
unterhaltsamen Werke von Henry Lincoln, Michael Baigent und Richard Leigh („Der
heilige Gral und seine Erben“, 1982 bzw. auf Deutsch bei Lübbe 1984 erschienen)
werden im Literaturverzeichnis erwähnt, und daraus mit einer leicht ironischen
Distanz zitiert. Legenden, wie etwa betreffend Verfluchungen von König und
Papst durch den letzten Großmeister des Ordens, Jacques de Molay, bei seiner
Hinrichtung 1314 als rückfälliger Häretiker (etwas anderes konnte ihm
kirchenrechtlich nicht bewiesen werden, das genügte aber für die Verurteilung
zum Tod am Scheiterhaufen) und den Ausruf des Henkers, der Ludwig XVI. während
der Französischen Revolution unter das Fallbeil brachte, nun sei Jacques de
Molay gerächt, werden gleichfalls erwähnt. Beides jedoch sind sehr
wahrscheinlich Erfindungen des XIX. oder gar XX. Jhdts. Auch werden die im
Spiel als Artefakte („Reliquien“) der Templer bezeichneten, teils real
existierenden, teils der Phantasie oder Folklore entsprungenen, zehn Objekte
einzeln vorgestellt. Für ein halbwegs ernstzunehmendes archäologisches
Interesse der Mönchsritter (oder der Menschen des europäischen Mittelalters im
Allgemeinen) gibt es allerdings keinerlei Belege. Auch wenn ungefähr zu jener
Zeit Kaiser Friedrich Barbarossa den halb-mythischen Kaiser Karl den Großen und
König Richard I. Löwenherz das Grab von König Artus gefunden haben wollen. Auf
religiösem Kalkül gegründete, reliquienhandelsübliche Übertreibungen; darauf
sollte man nichts geben!
Martina &
Martin Lhotzky, Marcus Steinwender
Spieler: 2-4
Alter: 12+
Dauer: 120+
Autor: Silvio Negri-Clementi
Grafiker: Gianluca Santopietro, Demis Savini
Preis: ca. 43 Euro
Verlag: Heidelberger Spieleverlag 2013
Web: www.heidelbaer.de
Genre: Historisch, Strategie
Zielgruppe: Für Experten
Version: de
Regeln: de en it
Text im Spiel: ja
Kommentar:
Gute historische Ansätze
Schöne Ausstattung
Unlogische, da zufällige Sequenz historischer Ereignisse
Strategie und Taktik werden durch zu viel Zufall
unterminiert
Vergleichbar:
Im Zeichen des Kreuzes, andere Strategiespiele auf
historischer Basis
Andere Ausgaben:
In englischer und italienischer Sprache
Meine Einschätzung: 3
Martina, Martin & Marcus:
Liebevoll gestaltetes Spiel mit wenig ausgereiftem
Regelwerk. Selbst Tüftler dürfte da ein durchaus langer Spieleabend erwarten. Der
Zufallsfaktor wirft so ziemlich jede strategische Überlegung über den Haufen.
Zufall (rosa): 3
Taktik (türkis): 2
Strategie (blau): 2
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0
UNSERE REZENSION
Die
Falle zu
Mysterien
der Templer
–
und viele Fragen offen
„al des grâles pflihtgesellen
von in vrâgens niht enwellen.“
(„Die Gralsritter wollten nicht
mehr befragt werden.“)
Wolfram von Eschenbach, „Parzival“
Der militärisch-geistliche Orden
„Arme Ritter Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem“ (Pauperes
commilitones Christi templique Salomonici Hierosalemitanis), uns allen
besser als Tempelritter oder Templerorden bekannt, wurde 1118 oder 1119 in
Jerusalem gegründet und 1312 vom Papst aufgehoben. Diese Auflösung wurde
übrigens laut dem Internetlexikon „Wikipedia“ vom Vatikan im Jahre 2006 und
erneut 2012 bestätigt. Mit der Ausbreitung seiner zahlreichen Niederlassungen
in (West-)Europa, dem Rückzug aus dem „Heiligen Land“ bis zur Verhaftung fast
aller Ordensbrüder und Ordensoberen im Königreich Philips IV. (heute in etwa
Frankreich ohne die Bretagne, ohne Burgund, Elsass, Lothringen und ohne die dem
englischen Königshaus untertänigen Teile des „Angevinischen Reiches“ auf dem
Festland) sowie den großteils nur (ungefähr seit dem XVII. Jhdt.) als Legenden
überlieferten unmittelbaren Folgen für weitere Ordensangehörige befasst sich
„Mysterien der Templer“.
Gleich vorab die Warnung: um sich
ins Geschehen stürzen zu können, benötigt man eine doch recht beachtliche freie
Fläche, allein das Spielbrett misst 72 cm x 104 cm (zwei Hälften à 72 x 52). Dazu
kommen noch Kartenauslagen und Platz für die ebenfalls zahlreichen Marker. Ist
also einmal das Spielzimmer von allen Hindernissen (wie Kisten, Kästen, Sofa
und Fernseher) geräumt, kann der Aufbau beginnen. Das Brett bildet in Form
einer vereinfachten Landkarte Europa (bis nördlich nach Schottland, Dänemark
und zum Baltikum), Vorderasien sowie die Nordküsten Afrikas inklusive
benachbarter Meeresflächen ab. Gebiete ungefähr östlich der Weichsel und
nördlich der Donau, da in den historischen Ereignissen für das Spiel
unbedeutend, dienen zur Ablage von Aktionskarten. Außen herum läuft die
Siegpunktzählleiste. Zusätzlich sind für die einzelnen (neun) Ordensprovinzen
noch Nutzungsfelder mit Symbolen für Ordenshäuser (Burgen, Komtureien),
fallweise wichtigen Kapellen sowie einem je entsprechenden Wappenschild (ein
passender Marker kennzeichnet, ob die Region bereits durch die Templer als
Provinz eingerichtet ist; ansonsten fallen für Erwerbungen dort wesentlich
höhere Gebühren an) aufgedruckt sowie (fünf) Felder, um den Transport von
Gütern zu Lande oder zu Wasser zu markieren.
Spielfiguren im eigentlichen
Sinne gibt es nicht. Die Mitspielenden erhalten aber neben farbig
entsprechenden hölzernen Siegelmarkern (kennzeichnen eigene Häuser oder Besitz
auf dem Spielfeld, der nicht in Häusern untergebracht ist) Spieltafeln, die
jeweils eine Ordensfraktion (blau, gelb, grün, rot) symbolisieren und zur
Zwischenlagerung von Besitztümern und Rittern sowie zur Ablage der Handkarten
dienen; weiters ein geringes Startgeld sowie Aktionsmarker für das Einsetzen
der Ritter. Auf die Stadtfelder des Spielplans werden noch je ein bis zwei
verdeckte Schatzmarker (Geld, Ritteranwärter und Artefakte) zufällig verteilt.
Gespielt werden höchstens
fünfzehn Runden in drei Epochen / Perioden sowie nach dem Aufdecken der
Ereigniskarte „1307: Die Verfolgung“ (irgendwann in der dritten Periode, womit
das reguläre Spiel endet) acht spezielle Runden, welche die Flucht der den
Verhaftungen Entgangenen nachstellen soll. Gewonnen hat, wer nach Ende der
Verfolgungen die meisten Siegpunkte (aus Geldbesitz und Reliquienschatzkarten)
sichern konnte.
Die einzelnen Runden laufen
gewöhnlich in fünf Phasen ab. In den Epochen I und II wählen die
Ordensfraktionen in der ersten Phase aus ihrem Satz von 5 „Tempelritterkarten“
(verdeckt) eine aus, welche die Aufteilung ihrer Ritterkräfte (Tapferkeit)
festlegt. Die Summe beträgt immer acht, die beiden Kontingente können von 7 / 1
bis zu 4 / 4 geteilt werden. Davon hängt ab, wie stark die im zweiten Schritt
zu erfüllenden Missionen unterstützt werden und wie hoch die Belohnungen
ausfallen. Erst wenn jede der „Tempelritterkarten“ einmal eingesetzt wurde,
steht der gesamte Satz erneut zur Verfügung. Die Missionen sind jeweils
Geleitschutz und die Suche nach einer wundersamen Reliquie (von biblischen
Schriftrollen über das Geburtshaus Mariens bis hin zum Heiligen Gral). Die
Fraktionen entscheiden nun, gleichfalls geheim, ob sie sich auf eine oder beide
Aufgaben einlassen wollen und markieren dies auf dem entsprechenden
Missionsfeld mit einem der beiden Rittermarker: zwei Helmsymbole = die gesamte
Tapferkeit für die gewählte Mission; ein Helmsymbol = die Tapferkeit teilt sich
entsprechend der „Tempelritterkarte“ auf beide Missionen, gegebenenfalls die
stärkere für jene Mission, unterhalb welcher der Marker liegt. Bei der Wahl von
Karte und Marker sind die Missionen verdeckt, was bedeutet, dass es sich in der
allerersten Runde auf jeden Fall um reine Spekulation handelt. Dann werden die
Aufträge enthüllt und abgehandelt, zuerst das Geleit, danach die Schatzsuche. Die
Tapferkeit aller Beteiligten wird addiert und mit der auf der Karte
aufgedruckten Zahl verglichen. Bei Gleichstand oder größerer Tapferkeit winkt
der Erfolg. Der Geleitschutz bringt immer allen Beteiligten Geld und, bei
positiver Erledigung, eine zusätzliche Belohnung entweder ebenfalls für alle
oder für diejenige Templerfraktion, die die meiste Tapferkeit eingesetzt hatte.
Bei den Reliquiengrabungen gibt es Siegpunkte bzw. (für die stärkste Fraktion)
das entsprechende Artefakt. Die Strafe bei Misserfolg besteht im Abzug von
Siegpunkten.
In der zweiten Phase jeder Runde
(in allen drei Epochen) können Güter ge- und verkauft werden. Der Kauf findet
prinzipiell im Heiligen Land statt, angeboten können die Waren gleichsam
überall dort werden, wo es Märkte (zu erkennen an einem fassartigen Symbol)
gibt.
Danach kommt die Ereignisphase. In
allen Perioden werden jetzt die obersten beiden Karten des Ereignisstapels
aufgedeckt, und in der den Ordnungszahlen auf den Karten entsprechenden
Reihenfolge abgewickelt. Die vier Arten, geordnet absteigend nach der Häufigkeit,
sind: Entwicklung – neue Provinzen werden gegründet, Gebäude errichtet, Spenden
eingezogen oder Marktplätze im Wert gesteigert; Transporte – Schifffahrts- und
Karawanenrouten werden angelegt und dürfen bereits in derselben Runde in Phase
vier genutzt werden; Feinde – Wegelagerer, Piraten und Krieger erscheinen
(entsprechend Marker auslegen) und müssen bei einem Zusammentreffen bekämpft
werden; Vorfälle – reale Ereignisse aus der Zeit der Kreuzzüge machen sich im
Spiel in den Perioden II und III bemerkbar; sobald in Epoche III der Vorfall
„1307: Die Verfolgung“ aufgedeckt wird, endet das reguläre Spiel sofort, es
beginnen die acht Endrunden.
Die vierte Phase ist dem
Transport von Besitztümern (und gegebenenfalls Rittern) gewidmet. Hier kann es
auch zu Kämpfen mit Seeräubern oder Banditen an Land kommen, bzw. greifen die
Sarazenenkrieger im Heiligen Land an. Die Auseinandersetzungen werden durch den
Vergleich der Kampfwerte entschieden. Zum Grundwert der Feinde (auf der
Ereigniskarte angegeben) wird ein Spezialwürfelwurf (1 – 3) addiert, die
Verteidiger (Kampfwert auf der jeweiligen Transportroutenkarte) können ihre
Kräfte durch Einsatz von Rittermarkern verstärken. Sind die Feinde erfolgreich,
verlieren die Verteidiger eine auf der entsprechenden Ereigniskarte vorgegebene
Anzahl an Gütern. Sarazenen dürfen zusätzlich von den Spieltafeln Beute
entwenden (kommt in den allgemeinen Vorrat zurück). Wehren die Verteidiger den
Angriff ab (bereits ab Gleichstand der Kampfwerte), verlieren die Angreifer
einen Marker. Liegt kein Feind-Marker mehr aus, ist das Gebiet gefahrlos
passierbar.
Die letzte Phase jeder Runde
dient dem Ressourcenmanagement. Die Belohnungen aus früheren Phasen werden nun
auf die Gebäude der Fraktionen verteilt. Etwa platziert man Reliquien in
Kapellen, um mehr Siegpunkte zu erhalten, rekrutiert Ritter (Novizenmarker
durch Rittermarker ersetzen) oder verschiebt Geld zwischen eigenen Komtureien. Ritter(marker)
dürfen zur Erkundung der Städte in ihrem Aufenthaltsgebiet genützt, also
verdeckte Schatzmarker begutachtet und mitunter aufgenommen werden. Für Siegel,
die irgendwo auf dem Spielfeld (nicht in eigenen Komtureien) ausliegen, etwa,
weil ein Transport in der entsprechenden Phase nicht abgeschlossen werden
konnte, muss „Unterhalt“ bezahlt werden.
Hebt die Verfolgung der Templer
durch König Philipp IV. an (Ereigniskarte „1307“), werden statt der bisherigen
Phasen nur mehr acht „Verfolgungsrunden“ mit den Phasen „Transporte“ und
„Ressourcen“ gespielt. Jede Fraktion bekommt ein Zufluchtsgebiet zugewiesen
(Schottland, das Deutschordensland mit der Marienburg, Zypern oder die Feste
Tomar in Portugal). Radial von Paris ausgehend werden in jeder Runde immer mehr
Gebiete für die Tempelritter zu Tabuzonen, sie versuchen nun, möglichst viel an
Geld und Artefakten in das ihnen zugewiesene Asyl zu schaffen. Wer dabei am
erfolgreichsten ist, gewinnt.
Zwei Zusatzvarianten –
individuelle Fähigkeiten für jede Ordensfraktion sowie individualisierte
Feindstärken – werden im Regelheft angeboten, konnten aber von uns nicht
getestet werden.
„Mysterien der Templer“ ist
vorderhand ein strategisches Ressourcenmanagementspiel, erdacht von Silvio
Negri-Clementi (von ihm stammt auch „Ventura“ 2010/2011 gleichfalls bei
Stratelibri bzw. Fantasy Flight Games erschienen). Die Spielregeln scheinen auf
den ersten Blick der Aufgabe, ein Gleichgewicht zwischen Spielvergnügen und
historischem Bezug (dazu später mehr) herzustellen, angemessen. Die Hürden
liegen aber im Detail. Unserer Einschätzung nach funktioniert das System leider
nicht zufriedenstellend. Während Kämpfe – durchaus realistisch – und, wenn die
schon sein müssen, „archäologische Forschungen“, mit einer gewissen
Berechtigung dem Zufall unterliegen, ist nicht einzusehen, dass dies auch für
andere Missionen und vor allem, für die territorialen Ausbreitungsmöglichkeiten
des Ordens oder gar Gütertransporte gelten soll. Auch das Eintreten der vier
gewählten Ereignisse – die Einnahme Jerusalems durch Sultan Saladins Truppen
1187, die Eroberung von Akkon unter Mamelukensultan Khalil 1291 und nicht
zuletzt die Razzien in Frankreich im Jahre 1307 (der vierte „Vorfall“, der
„Albigenserkreuzzug“ zwischen 1209 und 1229, hat, genau genommen, außer in
diversen neuzeitlichen Verschwörungstheorien, keinen nachweisbaren Einfluss auf
die Aktivitäten der Tempelherren gehabt) – war zwar auch eher zufällig, die
Reihenfolge dieser Vorfälle jedoch keineswegs. So hätte ohne die Vertreibung
der Templer aus dem Heiligen Land der französische König kaum die Möglichkeit
gesehen, den Orden zu zerschlagen und sich dies vom Papst, dem die Mönchsritter
formell unterstanden, absegnen zu lassen. Ereignisse sollten Ereignisse
bleiben, dürfen dabei gerne das Auftauchen von Räubern und feindlichen Truppen
beinhalten. Das beeinflusst die Transportwege ohnehin beträchtlich. Obwohl die
Eröffnung neuer Ordensprovinzen hauptsächlich in die erste Periode fällt,
können auch hier durch den Zufall der Kartenmischung bereits mehr
Transportrouten ausliegen, ohne dass Interessenten sich irgendwie mit Waren
hätten eindecken bzw. Absatzmärkte hätten schaffen können. Zu Spielbeginn ist
nämlich nur Frankreich frei zu bereisen und zu erkunden. Die Lösung könnte hier
aus mehr Ereignissen bestehen, aus denen aber bereits beim Spielaufbau eine
zufällige Auswahl getroffen werden müsste. In der ersten Periode zum Beispiel
mehr Marktbewegungen (Inflation gab es zwar im Mittelalter noch nicht in
unserem Sinne, Preisschwankungen kamen aber dennoch immer wieder vor) und mehr
Schenkungen, in der zweiten Periode vielleicht mehr und stärkere Räuber,
dazwischen dann diverse historisch gesicherte Einschnitte (mit Auswirkungen auf
die Tempelritter). Dann könnte die letzte Periode mit der bösen Überraschung
von 1307 durchaus unangetastet bleiben.
Seine Kräfte (Tapferkeit) bei der
ersten oder auch noch zweiten Mission spekulativ einzusetzen, scheint irgendwie
logisch. Dass man danach aber daran gebunden ist, auch die restlichen
Tapferkeitskarten aufzubrauchen, bevor man wieder völlig frei entscheiden darf,
wirkt willkürlich.
Auch das Regelheft selbst hätte
mehr Augenmerk verdient. Wie so oft gibt es kein Register und keinen Index,
nicht einmal ein Inhaltsverzeichnis. Viele Abschnitte sind umständlich oder
unklar formuliert, was, so unser Verdacht, auch an der Übersetzung liegt
(sowohl Deutsch als auch Englisch, und unser Italienisch reicht nicht für die
Lektüre der Ursprungsversion aus). Manche Regeln wirken widersprüchlich, etwa
was den Kauf von Gebäuden, den Transport oder die Handlungsmöglichkeiten in
Provinzen betrifft. Hingegen wird anderes, was einfach, logisch und sofort zu
begreifen ist, mehrfach und ausführlich wiedergekäut. Über diese
Unzulänglichkeiten kann leider weder die nette Grundidee noch das schön
gestaltete Spielmaterial (Ausnahmen: sowohl bei Reliquienmarkern als auch
–karten gibt es mehrere Druckfehler; und die Feind-Marker sind zu klein,
geradezu winzig!) hinwegtrösten.
Zur historischen Genauigkeit ist
noch anzumerken: man hat sich immerhin bemüht! Die Spielemacher weisen sogar
extra darauf hin, dass die Karte, die rund zweihundert Jahre europäischer
Geschichte darstellt, diverse territoriale Veränderungen nicht wiedergeben
kann. Aber auf die Einflussgebiete der englischen Krone, während jener Zeit
beinahe die Hälfte des heutigen Frankreich, ganz zu vergessen ist zu viel der
Ungenauigkeit. Dieses angevinische Reich bzw. das riesige Herzogtum Aquitanien
kam erst im Laufe des Hundertjährigen Krieges (1328/1337 – 1453) unter die
Kontrolle der französischen Könige. Viele der Wappenschilde zur Kennzeichnung
der Gebiete entsprangen wohl eher der Phantasie bzw. viel späteren Zeiten. Für
das sogenannte Heilige Römische Reich, im Spiel allerdings treffender und fast
zeitgenössisch als Ordensprovinz „Germanien“ (da ohne Oberitalien) bezeichnet,
wird zum Beispiel ein Wappen des Deutschen Kaiserreiches (1871 – 1918)
verwandt.
Speziell zur Geschichte des
Ritterordens liegt den „Mysterien der Templer“ ein – unglücklicherweise leider
ebenfalls unzulänglich übersetztes – Begleitheft („Historischer Anhang“) bei. Dabei
handelt es sich um eine lustige Mischung aus historischen Fakten, späteren
Legenden und wilden Mutmaßungen. Durchaus seriöse historische Fachbücher, etwa
von Alain Demurger oder Jonathan Riley-Smith wurden herangezogen. Aber auch die
unterhaltsamen Werke von Henry Lincoln, Michael Baigent und Richard Leigh („Der
heilige Gral und seine Erben“, 1982 bzw. auf Deutsch bei Lübbe 1984 erschienen)
werden im Literaturverzeichnis erwähnt, und daraus mit einer leicht ironischen
Distanz zitiert. Legenden, wie etwa betreffend Verfluchungen von König und
Papst durch den letzten Großmeister des Ordens, Jacques de Molay, bei seiner
Hinrichtung 1314 als rückfälliger Häretiker (etwas anderes konnte ihm
kirchenrechtlich nicht bewiesen werden, das genügte aber für die Verurteilung
zum Tod am Scheiterhaufen) und den Ausruf des Henkers, der Ludwig XVI. während
der Französischen Revolution unter das Fallbeil brachte, nun sei Jacques de
Molay gerächt, werden gleichfalls erwähnt. Beides jedoch sind sehr
wahrscheinlich Erfindungen des XIX. oder gar XX. Jhdts. Auch werden die im
Spiel als Artefakte („Reliquien“) der Templer bezeichneten, teils real
existierenden, teils der Phantasie oder Folklore entsprungenen, zehn Objekte
einzeln vorgestellt. Für ein halbwegs ernstzunehmendes archäologisches
Interesse der Mönchsritter (oder der Menschen des europäischen Mittelalters im
Allgemeinen) gibt es allerdings keinerlei Belege. Auch wenn ungefähr zu jener
Zeit Kaiser Friedrich Barbarossa den halb-mythischen Kaiser Karl den Großen und
König Richard I. Löwenherz das Grab von König Artus gefunden haben wollen. Auf
religiösem Kalkül gegründete, reliquienhandelsübliche Übertreibungen; darauf
sollte man nichts geben!
Martina &
Martin Lhotzky, Marcus Steinwender
Spieler: 2-4
Alter: 12+
Dauer: 120+
Autor: Silvio Negri-Clementi
Grafiker: Gianluca Santopietro, Demis Savini
Preis: ca. 43 Euro
Verlag: Heidelberger Spieleverlag 2013
Web: www.heidelbaer.de
Genre: Historisch, Strategie
Zielgruppe: Für Experten
Version: de
Regeln: de en it
Text im Spiel: ja
Kommentar:
Gute historische Ansätze
Schöne Ausstattung
Unlogische, da zufällige Sequenz historischer Ereignisse
Strategie und Taktik werden durch zu viel Zufall
unterminiert
Vergleichbar:
Im Zeichen des Kreuzes, andere Strategiespiele auf
historischer Basis
Andere Ausgaben:
In englischer und italienischer Sprache
Meine Einschätzung: 3
Martina, Martin & Marcus:
Liebevoll gestaltetes Spiel mit wenig ausgereiftem
Regelwerk. Selbst Tüftler dürfte da ein durchaus langer Spieleabend erwarten. Der
Zufallsfaktor wirft so ziemlich jede strategische Überlegung über den Haufen.
Zufall (rosa): 3
Taktik (türkis): 2
Strategie (blau): 2
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0