Ethnos

Als Anführer soll man zwölf Stämme der Sechs Königreiche einen und Ethnos beherrschen. In drei Zeitaltern ist man reihum aktiv und kann: 1. einen Verbündeten anwerben - eine offene oder verdeckte Karte ziehen; oder 2. einen Kampfverband aus 1-10 Karten desselben Stammes oder Reiches ausspielen, eine davon als Anführer; man setzt eventuell einen Einflussmarker ins Königreich der Anführerkarte und nutzt deren Fähigkeiten. Verbliebene Handkarten werden in die Auslage abgeworfen. Wird dabei der dritte Drache gezogen, endet das Zeitalter; man wertet Einfluss und Kampfverbände für Ruhm und wirft alle Karten und Kampfverbände ab, Marker bleiben.  

Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:

Deutsch

Ludografische Angaben

Autoren:
Illustratoren:
Inventarnummer:
27462
Tags:
ess17
Kategorien:
Setz-/Position, Entwicklung/Aufbau, Experten, komplex, Konflikt/Simulation
Erscheinungsjahr

2017
Spieler

2 - 6 Spieler
Alter

14 - 99 Jahren
Dauer

bis 60 Minuten

Rezension

Ethnos
Rezension
 
Alle Wege führen
nach Rommé
 
Ethnos
 
Fantastische
Fantasievölkerkunde
 
In den 1970er-Jahren haben wir ja nichts gehabt; und so
waren die bei den Großeltern zugebrachten Wochenenden zumeist vom Schachspielen
mit Opa und/oder vom Rommé/Rummy-Spielen mit Oma geprägt. Das dürfte dem Buben
zwar nicht geschadet haben, doch ist dessen Sehnsucht nach epischen
Brettspielschlachten zwischen martialisch aussehenden und grimmig
dreinschauenden Fantasy-Heeren jahrelang unerfüllt geblieben. Vielleicht ist es
Paolo Mori in seiner Kindheit ja ähnlich ergangen, die Schachtelgrafik und
Altersangabe („ab 14 Jahren“) von „Ethnos“ würde das nämlich nahelegen; denn
geöffnet springen uns nicht dutzende detaillierte Plastikminiaturen samt eines
50-seitigen Regelwerkes entgegen – wie man es eigentlich erwarten würde –
vielmehr lassen sich nach dem Lesen der Anleitung sogar Ähnlichkeiten zu Rummy
erkennen! Das Sammeln und Ausspielen von Karten-Sets mit gleicher Farbe
und/oder gleichen „Symbolen“ (hier Fantasy-Völker bzw. „Stämme“) wird zusätzlich
aber noch um ein – jedoch gänzlich unkriegerisches – Ausbreiten auf einem
Spielplan ergänzt.
 
Sammle ich etwa rote Karten, erhalte ich später einen
Marker in dem roten Gebiet; alternativ könnte ich für einen (weiteren) eigenen
Marker in diesem roten Gebiet auch Karten mit gleichen „Stämmen“ sammeln,
sofern zumindest eine davon rot ist. Wobei der Begriff „Sammeln“ für die erste
(von gesamt drei) Runden vielleicht nicht so ganz zutrifft: Für meinen jeweils
ersten Marker in jedem der sechs Gebiete braucht es nämlich nur eine einzige
Karte in dieser Farbe. Danach gilt aber die Formel „X >= Y + 1“: Für jeden
weiteren Marker brauche ich in meinem ausgespielten Karten-Set also zumindest
um eine Karte (X) mehr als ich zuvor bereits Marker in diesem Gebiet (Y)
platziert habe; für den eigenen dritten Marker also (mindestens) drei passende
Karten. Dennoch kann es sinnvoll sein, noch mehr Karten als für das Platzieren
dieses Markers zwingend erforderlich zu sammeln: Zum einen bringen mehr Karten
in einem Set auch mehr Punkte (ähnlich wie bei „Zug um Zug“, Spiel des Jahres
2004) und zum anderen kann ich dadurch vielleicht verhindern, dass sich der
eine oder andere Mitspieler in „meinem“ Gebiet festsetzt bzw. ausbreitet, weil
ich dafür ja die farblich passenden Karten entziehe.
 
Das Sammeln mehrerer gleichfarbiger Karten bietet
außerdem noch einen weiteren Vorteil: Jeder „Stamm“ in einem Karten-Set bietet
nämlich einen anderen Vorteil, sofern er beim Ausspielen dieses Karten-Sets als
der (einzige) Anführer (bzw. als oberste Karte) bestimmt wird. So kann ich mir
etwa bei mehreren roten Karten aussuchen, welche der verschiedenen
Sondereigenschaften der „Stämme“ in diesem Set ich aktivieren möchte. Sammle
ich hingegen ein Karten-Set bestehend aus nur einem „Stamm“, kann ich nur die Sondereigenschaft
dieses einen Stammes nutzen, bin dafür aber in der Wahl des Gebietes – in
welches letztlich einer meiner Marker kommen soll – flexibler (weil ich
diesfalls Karten in unterschiedlichen Farben ausspiele).
 
Das Aufnehmen von Karten erfolgt entweder (zufällig) über
den allgemeinen Nachziehstapel oder (gezielt) über eine offene Auslage – diese
wird hier aber nach dem Nehmen einer Karte daraus nicht ergänzt! Und im
Gegensatz zu „Zug um Zug“ wird das Dilemma des rechtzeitigen Aufhörens mit dem
Kartensammeln hier noch dadurch verschärft, dass alle nach dem Ausspielen eines
Sets nicht verwendeten Handkarten nicht nur (offen) abgeworfen werden müssen,
sondern derart auch noch den Mitspielern für deren eigenes gezielteres
Weitersammeln zur Verfügung stehen – das Abwerfen zuvor „mühsam“ erworbener
Karten schmerzt also doppelt. Nach Möglichkeit sollte man sich also auch zu
merken versuchen, welche Farben/“Stämme“ die Mitspieler denn so sammeln.
Spätestens nach zehn Handkarten ist stets Schluss mit Sammeln und es muss
jedenfalls ein Set ausgespielt werden.
 
 
Neben Timing spielt beim Ausspielen/Nachziehen natürlich
auch Glück eine Rolle, umso mehr in der dritten und letzten Runde, wenn es
immer schwieriger wird, weitere eigene Marker auf dem Spielplan unterzubringen,
um eigene Mehrheiten abzusichern oder andere Mehrheiten umzustoßen. Aber auch
das Sammeln einer Farbe, die man eigentlich gar nicht mehr für das Platzieren
eines Markers braucht, kann noch sehr wertvolle Punkte aufgrund eines längeren
Karten-Sets bringen. Zu lange sollte mit dem Ausspielen der Karten-Sets aber
schon deswegen nicht zugewartet werden, weil ab der Mitte der Runde (bzw. ab
der unteren Hälfte des Nachziehstapels) ein (durchaus auch abruptes) Ende der
aktuellen Runde droht und dann alle Handkarten wertlos sind.
 
Die zwölf „Stämme“ des Grundspieles bieten dabei sehr
stimmige und sehr unterschiedliche Möglichkeiten: Etwa die Minotauren, mit
welchen sich (aufgrund ihrer Stärke) etwas leichter weitere Marker in einem
Gebiet platzieren lassen; oder die Geflügelten, mit welchen man sich nicht an
die farblichen Beschränkungen beim Platzieren von Markern halten muss; oder die
Elben, die es (ganz im Sinne der naturverbundenen Nachhaltigkeit) erlauben,
beim Ausspielen eines Karten-Sets Handkarten zu behalten; oder die Zauberer,
die einem nach dem Ausspielen eines Karten-Sets neue frische Karten in die Hand
„zaubern“; oder die Skelette, die quasi als Joker fungieren, als Nachteil aber
keine Punkte für die Größe eines Karten-Sets beisteuern (weil sie vor der
Abrechnung zu Staub zerfallen); etc. Als dreizehnten „Stamm“ gibt es (als
Promo) noch die „Feen“: Diese erlauben den Austausch des eigenen Karten-Sets
mit einem zuvor ausgespielten gleich großen (oder kleineren) Karten-Set eines
Mitspielers. Im Internet finden sich auch schon mehrere
Fan-Vorschläge für weitere „Stämme“/Sondereigenschafen bzw. wird es wohl auch
nicht mehr lange dauern, bis eine offizielle Erweiterung vorliegt.
 
Von diesen „Stämmen“ sind jeweils nur sechs pro Partie
mit dabei, was u.a. auch unterschiedliche spielerische Herangehensweisen
erfordert. Denn das Ausbreiten auf dem Spielplan ist zwar stets wichtig, manche
„Stämme“ ermöglichen relevante Siegpunkte aber auch auf andere, durchaus
lukrative Weise. Weitere Varianz wird noch dadurch geboten, als die zu
gewinnenden Siegpunkte der sechs Gebiete pro Partie stets neu definiert werden.
Soll ich mich mit meinen Mitspielern also um die Mehrheit in einem eher
wertvollen Gebiet rangeln oder bevorzuge ich doch weniger punkteträchtige Gebiete,
die mir dafür wohl kaum jemand streitig machen wird? Neben dem Kartenglück beim
Nachziehen der Karten ist natürlich auch die Anzahl der Mitspieler
entscheidend, ob bzw. wieviel Einfluss ich überhaupt auf das ganze Geschehen
habe. Und natürlich kann es beim Kartennachziehen vom verdeckten Stapel – wie
bei nahezu jedem Kartenspiel – vorkommen, dass die gewünschten Karten nicht und
nicht erscheinen wollen, ein vom Schicksal mehr begünstigter Mitspieler
stattdessen aber für sich passende Karten zieht. Dadurch kann dieser nicht bloß
rascher ein taugliches Set ausspielen, sondern wird in weiterer Folge zum einen
mit mehr Punkten, zum anderen auch noch mit einer größeren offenen
Kartenauswahl nach dem späteren Ausspielen des glückloseren Mitspielers
zusätzlich begünstigt. Da bei den Spielelementen keinerlei Aufholmechanismen
vorgesehen sind – im Gegenteil kann ein Hintenliegender sogar noch durch das
Rundenende und das Abwerfen müssen sämtlicher seiner Handkarten „bestraft“
werden – kann es auf diese Weise doch zu einem nicht (bis kaum) mehr
einholbaren „Kippen“ im Spielverlauf kommen. Zwar darf der Mitspieler mit den
aktuell wenigsten Punkten die zweite bzw. dritte Runde beginnen, doch nützt das
etwa dem Vorletzten an Punkten gar nichts, wenn er der Letzte in der Sitzreihenfolge
sein sollte.
 
Dennoch fühlt man sich hier nicht gar zu sehr gespielt,
„Ethnos“ bietet ausreichend taktische Möglichkeiten und interessante Dilemmata
für ein befriedigendes Spielgefühl ohne dabei allzu kopflastig bzw.
grübelanfällig zu werden. In der dritten und letzten Runde kann aber etwas der
Überblick darüber verloren gehen, wo man selbst noch eine Mehrheit sinnvoll
verändern bzw. wo es noch aussichtsreich erscheint, als Zweiter oder Dritter in
einem Gebiet „mitnaschen“ zu wollen. Dies ist aber weniger den Karten als der
Grafik des Spielplans geschuldet, die durchaus „farbenfroher“ hätte ausfallen
können. Und leider dient dieser Spielplan bloß der Ablage der diversen Marker
und hat sonst keine (insbesondere keinerlei topologische) Funktion. Aber auch
bei der Kartengrafik selbst wäre mir eine Comic-ähnlichere Gestaltung
angemessener erschienen als die eher düsteren Zeichnungen.
 
Im Spiel zu zweit und zu dritt gibt es kleinere
Regeländerungen: Ewa wird die Gesamtrundenanzahlt von drei auf zwei verkürzt
und es spielen nur fünf (statt sechs) „Stämme“ mit. Nach der Weiterentwicklung
bzw. Modernisierung von Bingo mit „Augustus“ (Nominierungsliste Spiel des
Jahres 2013; Spielehit für Familien) hat es der Autor mit „Ethnos“ jedenfalls
erneut geschafft, einem „verstaubten“ abstrakten Spielklassiker ein modernes
taktischeres Gewand samt einer stimmigen atmosphärischen Spielgeschichte zu
verpassen, obwohl Design und Altersangabe falsche Erwartungen wecken können. Ob
das auch Oma gefallen hätte? Ein Versuch wäre es jedenfalls Wert gewesen (wohl
besser aber ohne Skelette).
 
Harald Schatzl
 
Spieler: 2-6
Alter: 14/10+
Dauer: 45+
Autor: Paolo Mori
Grafik: John Howe
Preis: ca. 40 Euro
Verlag: CMON/Asmodee 2017
Web: www.asmodee.de
Genre: Set-Sammeln, Mehrheiten
Zielgruppe: Freunde
Version: de
Regeln: de en es fr it pl ru
Text im Spiel: ja
 
Kommentar:
gute, etwas langatmige Spielanleitung
witzige Flavor-Texte
leichter Zugang, schnell gespielt
funktioneller Schachteleinsatz
Spielmaterial etwas lieblos
Spiel kann kippen
 
 (c) Bilder: sirchudley, Beatrix
Schilke, Bernhard Czermak
 
Vergleichbar:
Zug um Zug
Phase 10 - Das Brettspiel
 
Andere Ausgaben:
Asterion Press (it), CMON (en),
Edge Entertainment (es, fr) Lavka (ru), Portal (pl),
 
Gesamt: 5
 
Harald Schatzl:
Ethnos ist ein nicht gar zu komplexes, spannendes,
taktisches, „friedliches“ Mehrheitenspiel mit Karten-Set-Sammeln als
Basismechanismus. Funktioniert auch für Familien (ab ca. 10 Jahren), sofern das
gezielte Sammeln von passenden Karten und das Bewahren des Überblickes auf dem
Spielplan als nicht zu fordernd empfunden wird. Bei einer Spieldauer von rund
einer Stunde gleicht keine Partie einer anderen; die grafische Gestaltung ist
eher düster und zu wenig deutlich.
 
Zufall (rosa): 2
Taktik (türkis): 2
Strategie (blau): 1
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 1
Kommunikation (rot): 1
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0