Diplomacy

Dieses Spiel simuliert die Situation in Europa vor dem ersten Weltkrieg, jeder Spieler führt ein Land und versucht durch Verhandeln und Kämpfen 18 Versorgungszentren zu bekommen. Zentrales Spielelement ist - wie aus dem Titel zu entnehmen - geschicktes Verhandeln und ebenso geschicktes Brechen der dadurch erzielten Abkommen zum eigenen Vorteil, denn ohne Verbündete kann man nicht gewinnen. Gespielt wird in Jahren, Frühjahr und Sommer werden mit Armeen bewegen, Konflikte austragen und Rückzuge durchführen zusammengefasst, ebenso Herbst und Winter, im Winter werden noch die Versorgungszentren zugeteilt und Einheiten auf- und abgebaut. Mögliche Befehle sind Angriff, Unterstützung, Begleitzug und Halten. Autor bekannt, auf der Schachtel und der Spielregel nicht genannt.  

Ludografische Angaben

Inventarnummer:
5994
Kategorien:
Experten, komplex, Verhandlung, Sprache, Diskussion, Konflikt/Simulation
Erscheinungsjahr

1976
Spieler

4 - 7 Spieler
Alter

15 - 99 Jahren
Dauer

bis 240 Minuten

Rezension

Diplomacy
Diplomacy
Ein Spiel für 2-7 Spieler
im Kampf um die Vorherrschaft in Europa um 1900
 
Das Spiel:
Diplomacy
2-7 Spieler ab 16 Jahren
von Alan B. Calhammer
erschienen bei Gibsons, Parker, Avalon Hill
neu: Avalon Hill,
2000
 
Die Besprechung:
Erik Adenstedt
bearbeitet und ergänzt von
Dagmar de Cassan
office@spielen.at
 
Ähnliche Spiele:
Keine – das erste seiner Art
 
WlN-Wertung:
*** DIPLOMACY SSS III PPP K A 7(2-7) hh
 
Diplomacy heißt das Spiel und die
hohe Kunst der Diplomatie ist ein wichtiger Bestandteil. Zwar kann Diplomacy als Kriegsspiel oder Konfliktsimulation angesehen
werden, doch geht es nicht so sehr um groß angelegte Manöver oder
Truppenbewegungen auf einem in unzählige Felder unterteilten Spielbrett sondern
eher um geschicktes Verhandeln und Paktieren aber auch um Lug und Betrug.
 
Taktik - Strategie - Verhandlungsgeschick, das sind die
Elemente, die dieses Spiel bestimmen. Seit fast dreißig Jahren erfreut sich das
Spiel ungebrochener Beliebtheit - Diplomacy war das
erste Spiel seiner Art, es beruht auf einer - damals - neuen Idee und wurde zum
Vorläufer unzähliger anderer Spiele. Diplomacy ist
ein Spiel für 7 Spieler, dies ist die optimale Spieleranzahl, 5 geht noch,
alles darunter ist nicht mehr vernünftig und wenig interessant, die Regeln von Diplomacy sind einfach und einfach zu erlernen.
 
Das Brett hat 75 Felder (56 Land- und 19 Seefelder), es
können sich höchstens 34 Einheiten auf dem Spielplan befinden. Die Ähnlichkeit
zu Schach mit 64 Feldern und 32 Einheiten war vom Erfinder beabsichtigt.
 
Das Spielbrett zeigt eine Landkarte von Europa. Europa und
die angrenzenden Meere sind in Felder (Gebiete) geteilt: Binnen- und
Küsten-Landgebiete und Meeresgebiete. 34 dieser Felder sind besonders
gekennzeichnete Versorgungszentren. Jeder Spieler repräsentiert eine der 7
Großmächte im Europa vor dem 1. Weltkrieg: England, Deutschland, Österreich,
Russland, Italien, Frankreich und Türkei.
 
 
.Zu Beginn verfügt jeder Spieler über die Versorgungszentren
seines Heimatlandes - In jedem dieser Zentren steht eine Einheit: Flotten oder
Armee. Die restlichen 12 Zentren sind 
neutral. Alle Mitspieler notieren schriftlich und geheim die Befehle für
ihre Einheiten. Vor jeder Zugabgabe steht eine Verhandlungsrunde, in der es
allein vom Verhandlungsgeschick der Spieler abhängt, die anderen dazu zu bringen,
Befehle abzugeben, die die eigenen Pläne unterstützen oder wenigstens nicht
verhindern. Interessant wird das Spiel dadurch, dass solche Abkommen nicht
bindend sind, es liegt dann wiederum am Geschick des jeweiligen Spielers, dem
Partner den Vertragsbruch plausibel zu machen.
 
Es gibt genau vier Befehle: Ziehen = Angriff, Unterstützen,
Halten, Übersetzen =  Konvoi:
- Halten (= Stehenbleiben) der
Einheit
- Angriff (= Ziehen) einer Einheit auf ein benachbartes
Gebiet (Armeen nur auf Landgebiete, Flotten nur auf Meeres- und Küstengebiete)
- Halten mit gleichzeitigem Unterstützen einer Einheit bei
einer Aktion:
-- beim Halten: die Einheit muss in das Gebiet der haltenden
Einheit ziehen dürfen
-- beim Angriff: die Einheit muss in das angegriffene Gebiet
ziehen dürfen
- Halten und Convoy (nur bei Flotten auf Meeresgebieten):
Transport einer Armee - Angriff einer Armee über See (d.h. per Konvoi): von
einem Küstengebiet in ein anderes Küstengebiet.
 
Da in jedem Gebiet nur eine einzige Einheit stehen darf, ergeben
sich bei den Befehlen häufig Widersprüche, die je nach Stärke des Angriffs-
oder Haltebefehls aufgelöst werden: Die Stärke eines Angriffs- oder
Haltebefehls ist gleich der Befehl plus die Zahl der durchführbaren
Unterstützungsbefehle.
 
Ein Angriff ist erfolgreich, d.h., die Bewegung darf
durchgeführt werden, wenn er stärker als der Haltebefehl und/oder die anderen
Angriffsbefehle ist. Wird die Durchführung eines Angriffs durch einen gleich
starken Angriff (Stand-Off) verhindert, so bleibt ein Haltebefehl auch dann
erfolgreich, wenn er schwächer war. Ist ein Angriff durchführbar, so wird eine
altfällige haltende Armee zum Rückzug gezwungen. (Rückzüge werden nach den
Bewegungen durchgeführt. Ein Rückzug erfolgt in freie Nachbargebiete mit
Ausnahme solcher, die infolge eines Stand-Offs freigeblieben sind und dem Gebiet, aus dem der Angriff
erfolgt ist.) Eine Bewegung per Konvoi kann nur durchgeführt werden, wenn der
Befehl für die Bewegung (mit Angabe der benützten Flotten und der Befehl für
die benützten Flotten übereinstimmen, – diese Befehle können auch von
verschiedenen Spielern kommen -  keine
dieser Flotten vertrieben wird, und nur wenn der Angriff der Armee durchführbar
ist.
 
Weiters gelten noch folgende Regeln:
- Eine Einheit, die eine ihr befohlene Bewegung nicht
durchführen konnte, hält mit der Stärke 1 (- sie kann im Halten nicht
unterstützt werden).
- Gleich starke Angriffe von A nach B und von B nach A
werden nicht durchgeführt. Ist einer der beiden Angriffe stärker, so vertreibt
er die andere Armee.
- Ein Angriff auf eine eigene Einheit, oder eine
Unterstützung eines solchen Angriffs, kann diese nicht vertreiben, wird also
gegebenenfalls nicht ausgeführt.
 
 
Das Spiel besteht aus Jahren, jedes Jahr aus vier Phasen:
 
1. Frühjahr: Bewegungen - wie beschrieben
2. Sommer: Rückzüge
3. Herbst: Bewegungen
4. Winter Rückzüge und Winterberichtigungen
 
Auch die Rückzugsbefehle erfolgen simultan, man hat die Wahl
zwischen einem gültigen Rückzugsgebiet oder dem Auflösen der betreffenden
Einheit. Wollen sich zwei Einheiten in dasselbe Gebiet zurückziehen, so werden
beide aufgelöst. Bei den Winterberichtigungen wird festgestellt, wie viele
Versorgungszentren jede Großmacht beherrscht. Man beherrscht ein Zentrum, wenn
man es nach den Winter-Rückzügen besetzt hat. Die Herrschaft bleibt solange
aufrecht, bis sie durch eine andere Macht übernommen wird, also auch wenn man
das Zentrum nicht besetzt hat, und sogar, wenn es im Frühjahr oder Sommer durch
eine fremde Einheit besetzt wird! Die Zahl der Zentren ist zugleich die
Höchstzahl an Einheiten, mit denen die Macht das nächste Jahr beginnen darf.
Hat sie mehr Einheiten, müssen Einheiten bis zur erlaubten Höchstzahl aufgelöst
werden, hat sie weniger, darf aufgebaut werden, eine pro unbesetztem Zentrum
des Heimatlandes. Im Frühjahr verlorene Einheiten können also frühestens im
Herbst wieder ersetzt werden! Auch die Winterberichtigungen werden simultan
durchgeführt.
 
Ein Spieler hat gewonnen, wenn er mehr als die Hälfte der
Zentren beherrscht - also mindestens I8.
 
Trotz dieser Einfachheit der Regeln ist Diplomacy
ungemein komplex. Es gibt unzählige Zugmöglichkeiten und taktische Varianten.
Hinzu kommt die Komplexität der Persönlichkeiten der einzelnen Mitspieler, die
jedes Spiel anders gestalten. Es gibt keine "absoluten' Wahrheiten oder
Strategien in diesem Spiel, man muss jederzeit flexibel sein und bereit
umzudenken.
 
Ein weiteres wichtiges Element ist die Spannung, die kaum in
einem Spiel fehlt. Obwohl eine Partie meist mindestens vier Stunden (oft viel
länger), wird es selten langweilig. Dauernd ist man aktiv, man muss verhandeln,
mitdenken, wach bleiben – was wird aus meinem Plan, welche Befehle gibt mein
Gegner, hält mein Bündnis oder soll ich es lieber gleich präventiv brechen, und
wie mache ich ihm das plausibel? Der Glücksfaktor ist in Diplomacy
kaum vorhanden, bis auf die Zulosung der Länder, alles andere ist eine Frage
von Taktik und Verhandlungsgeschick und den eigenen Entscheidungen. Man kann
das Spiel nicht ohne Verbündete gewinnen, aber auch nicht ohne Feinde.
 
Diplomacy ist kein harmloses,
nettes Familien-Spiel. Lügen und Betrügen sind wesentliche Bestandteile. Wer
seinen Verbündeten nicht in den Rücken fallen kann, kann wird selten gewinnen.
Wer das aber persönlich nimmt, sollte auch nicht Diplomacy
spielen, denn Spiel ist nach wie vor das entscheidende Wort, und da kann man
Dinge tun, die man sonst im Leben nicht machen würde.
 
Heute gibt es Spiele, die die Taktik und die Konfrontation
in Diplomacy ohne die lange Spieldauer und die Notwendigkeit
von mindestens 5 Mitspielern bringen, aber Diplomacy
ist DER Klassiker unter den Verhandlungs- und Strategiespielen, es sollte in
keiner Spielesammlung fehlen.
 
An dieser Ausgabe ist besonders die Ausstattung
hervorzuheben, die Armeen und Flotten sind kleine Metallfiguren bunten Farben,
nicht immer optimal vom Hintergrund der Karte zu unterscheiden, aber jedenfalls
wunderschön.