De Vulgari Eloquentia

Volgare, das Latein der einfachen Leute, entstand aus Dialekten italienischer Regionen, und die Spieler leisten ihren Beitrag zur Entwicklung. Man erwirbt Siegpunkte durch Studieren von Manuskripten oder Finden seltener Dokumente. Auch sozialer Aufstieg bringt Siegpunkte, und – ganz vulgär – Geld und Protektion. Man spielt in Runden aus den Phasen Ereignis, Almosen, Zugreihenfolge und Aktionen mit: Bewegung mit Zusatzeffekten, Manuskript nehmen, andere Personen nehmen, Psalter studieren, kleine Geschäfte oder Rätsel von Verona, Botschafter und Sonnengesang. Mit dem Tod des Papstes und der Endwertung endet das Spiel.  

Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:

Deutsch

Ludografische Angaben

Verlage:
Autoren:
Inventarnummer:
22627
Tags:
ess10
Kategorien:
Entwicklung/Aufbau, Experten, komplex
Erscheinungsjahr

2010
Spieler

2 - 5 Spieler
Alter

14 - 99 Jahren
Dauer

bis 120 Minuten

Rezension

De Vulgari Eloquentia
Expert                
 
Alter                   
Spezial                
 
Vom Latein zum
Italienischen
 
De Vulgari Eloquentia
 
Spielerische Sprachentwicklung
 
Bei „De Vulgari Eloquentia" (DVE) geht es um das späte
Mittelalter, die verschiedenen Sprachen die es im Italien der damaligen Zeit
gibt, und die Entwicklungen um das „Volgare", das als Landessprache mit
Einflüssen der anderen Sprachen im Entstehen ist.
Manuskripte müssen entdeckt und entschlüsselt werden, Wissen
gesammelt und Italien bereist werden, um den meisten Ruhm zu verdienen. So in etwa
liest man es in Werbung und Spielregel und das trifft die Sache auch.
 
Als Nicht-Lateiner musste ich doch gleich mal nachforschen
was es mit dem Titel des Spieles so auf sich hat. Wikipedia gibt bereitwillig
Auskunft. Ich zitiere 2 Passagen:
„De vulgari eloquentia (lat: Über die Redegewandtheit in der
Volkssprache) ist ein Werk des italienischen Dichters Dante Alighieri. Es wurde
in vier Büchern zwischen 1303 und 1305 geschrieben, von denen allerdings nur
der erste Band vollständig und der zweite Band bis zum 14. Kapitel erhalten
sind. De vulgari eloquentia beschäftigt sich vor allem mit den neolatinischen
Sprachen."
„Wie alle romanischen Sprachen stammt das Italienische vom
Lateinischen ab. Zu Beginn des Mittelalters, nach dem Zusammenbruch des
Römischen Reiches, blieb in Europa das Lateinische als Amtssprache und als
Sprache der Kirche. Das Lateinische behauptete sich überdies als
Schriftsprache. Gesprochen wurde allerdings – auch, als das Römische Reich noch
bestand – eine vom Schriftstandard abweichende Sprachform, die man auch als
Vulgärlatein oder Sprechlatein bezeichnet. Hieraus entwickelten sich die
protoromanische Volkssprache und schließlich die romanischen Einzelsprachen.
 
So entstanden in Italien und seinen Nachbarländern neue
Sprachen, z. B. die Oïl-Sprachen in Nordfrankreich, die Oc-Sprachen in
Südfrankreich und die Sì-Sprachen in Italien, so benannt von Dante Alighieri
nach der jeweiligen Bezeichnung für „ja". Die ersten schriftlichen
Zeugnisse des italienischen Volgare stammen aus dem späten achten oder frühen
neunten Jahrhundert. Das erste ist ein Rätsel, das in der Biblioteca Capitolare
di Verona gefunden wurde und als Indovinello veronese bezeichnet wird:
 
„Se pareba boves, alba pratalia araba, albo
versorio teneba et negro semen seminaba."
[Sie] schob Rinder, bebaute weiße Felder, hielt einen weißen
Pflug und säte schwarzen Samen.
[Gemeint ist die Hand]: Rinder = (tiefgehende) Gedanken,
weiße Felder = Seiten, weißer Pflug = Feder, schwarzer Samen = Tinte)"
 
Ich gebe zu, das war jetzt viel Text, der aber in direktem
Zusammenhang mit dem Spielthema steht. In der Spielregel ist von der
D'Oil-Sprache und von der D'Oc-Sprache die Rede und auch das Rätsel von Verona
taucht auf! Ich kann jedem Interessierten also nur raten sich auf die Suche zu machen
und die diversen Begriffe und Themen, die sich im Spiel so rumtummeln zu
beforschen. Es macht Spaß!
 
Und damit bin ich bei einem großen Lob: die Grafik und das
Ambiente finde ich sehr ansprechend und die vielen Einzelheiten zum Thema die
als Elemente ins Spiel eingeflochten sind machen neugierig auf Geschichte und
Sprachwissenschaft. Wenn man dafür offen ist.
 
Aber jetzt zum Spiel:
 
Jeder hat eine Spielfigur und ausreichend viele Markersteine
seiner Farbe. Grob die Hälfte des Spielplans ist eine Landkarte von Italien,
das in verschieden Zonen (ehrlich gesagt gefällt mir der Begriff gar nicht –
Provinzen oder Felder etwa wäre netter) eingeteilt ist. Dazu gibt es 2 Meere,
die man über die Zonen mit einem Anker (= Hafen) auch betreten kann und die
nicht miteinander verbunden sind. Der Rest des Spielplans wird von einer
Rundenleiste und einer großen Zahl von Aktionsleisten belegt. Und rund um den
Spielplan läuft eine Wissensleiste, die man nicht mit Siegpunkten verwechseln
darf. Die Siegpunkte (in der Regel Volgare-Punkte genannt) werden erst zum
Spielende berechnet.
 
Der Grundmechanismus des Spieles ist einfach: Die Spielfigur
bewegt sich in den Zonen von Italien. Das ist wichtig, da viele Aktionen daran
gebunden sind sich in einer bestimmten Zone zu befinden. Ansonsten hat jeder
Spieler für seinen Spielzug 5 Aktionssteine, die er dazu benutzt aus einer
Fülle von möglichen Aktionen jene zu wählen, die ihm als die besten erscheinen.
Hier herrscht Mangel, da so manche Aktion durchaus mehr als nur einen
Aktionsstein verschlingt. Kann also auch nur eine Aktion sein, die sich da
ausgeht. Das Bewegen der Spielfigur ist dabei auch eine dieser Aktionen.
 
Manche Aktionen haben den netten Effekt das Wissen zu
steigern. Der Mechanismus der Wissensleiste ist eindeutig: bei 2 Markersteinen
am selben Feld ist der untere bezüglich Wissen vorne. Dieser Spieler hat das
Feld ja auch früher erreicht! Das erhöhte Wissen ist Voraussetzung für gewisse
Aktionen. Außerdem werden sämtliche Unentschieden mit dem Wissen geklärt: der
Klügere hat dabei immer die Nase vorne. Auch am Spielende bei einem Gleichstand
von Volgare-Punkten. Für die Spielerreihenfolge einer Runde ist allerdings der
Dümmere im Vorteil: er darf seinen Zug zuerst machen. Ein nicht unerheblicher
Vorteil! Das Balancieren des Wissens zu den anderen – soll ich dümmer und in
der Reihenfolge vorne oder doch lieber klüger mit mehr und besseren Aktionsmöglichkeiten
sein – finde ich sehr reizvoll.
 
(Ich weiß, dass „klug" und „dumm" nicht unbedingt
verschiedene Stufen von Wissen bedeuten und politisch korrekt ist wohl auch was
anderes. Aber es macht Spaß mit diesen Begriffen im Spiel um sich zu werfen und
jeder kennt sich aus was gemeint ist.)
 
Man beginnt das Spiel als Kaufmann. Später kann man sich
entschließen dem Mammon zu entsagen und Bettelmönch zu werden. Wem diese
Entsagung doch nicht zusagt, der lenkt seine Karriere dann in die traditionelle
Amtskirche (was wieder mehr Geld bedeutet) und wird Kardinal und kann
schließlich am Ende des Spieles sogar Papst werden (so man genug Beziehungen zu
Politik, Adel und Äbtissinnen aufgebaut hat).
 
Man beachte aber das „kann": es ist durchaus auch
möglich dem Kaufmannstand treu zu bleiben und das Spiel als Kaufmann zu
beenden. Oder dem Spielende als Bettelmönch entgegenzusehen. Für mich ist das
ein großer Reiz: es gibt sehr viele Wege durch dieses Spiel. Und es braucht
sicher viele Partien um diese alle einmal auszuprobieren. Wenn jemand diese
Vielfalt nicht schätzt, und lieber eine klar definierte Spielstrategie haben
möchte, wird das eher ein Minus sein.
 
Hinzu kommt, dass Bettelmönche und Kardinäle durch
individuelle Karten dargestellt sind, die jeweils andere Vorteile nutzen
können. So ist etwa Bruder Ralph besonders sparsam unterwegs und braucht auch
für größere Bewegungen kein Geld oder hat etwa Kardinal Muret einen sechsten
Aktionsstein für jeden seiner Züge. Ist ein Charakter einmal gewählt, steht
dieser anderen Spielern nicht mehr zur Verfügung. Hier gibt es also durchaus
ein Rennen um die als besser eingeschätzten Bettelmönche oder Kardinäle.
 
Damit möchte ich mich zu formellen Betrachtungen und
Regelfragen begeben:
 
DVE hat eine lange und komplizierte Regel. Um sich durch
diese durchzuarbeiten braucht es Zeit und Geduld und ein gutes Gedächtnis.
Sicher eine Hürde für viele und damit kein Spiel für den Gelegenheitsspieler.
 
Bei meiner ersten Partie haben wir diese Arbeit geleistet
und das Spiel nach bestem Wissen und Gewissen gespielt. Aus Erfahrung weiß ich,
dass man bei einem Spiel mit kompliziertem Regeln so Manches meist erst einmal
falsch spielt. Darum nehme ich gerne nach dem ersten Spiel die Regel in Ruhe
zur Hand und lese diese noch einmal sorgfältig durch. Das habe ich getan. Eine
Woche später im Spielekreis. Und siehe da: 6 Details falsch gespielt. Oops. Mit
so vielen Spielfehlern hatte ich nicht gerechnet. Die meisten kleiner; einer
groß: wir hatten die Beschränkung des Erwerbs von Manuskripten übersehen. Pro
Spielzug kann ein Spieler maximal 1 Manuskript nehmen. Das hat großem Einfluss
auf das Spiel, ist der Erwerb von Manuskripten eine, wenn nicht die wichtigste
Quelle für Siegpunkte am Spielende. Steht aber eindeutig in der Regel. Sogar in
Fettdruck. Das kann man der Regel also nicht vorwerfen. Scheint mir aber
symptomatisch für die Komplexität der Regel, dass so was passieren kann.
 
Gestärkt mit der zweiten Lektüre stürzte ich mich in zwei
weitere Partien. Diesmal konnte ich die Regel erklären, was sicher die Sache
beschleunigte, aber die Regelklärung hat immer noch eine Stunde gedauert. Uff.
Die Leute hatten viele Fragen.
 
Ich muss gestehen, ich bin immer etwas skeptisch, wenn
jemand der das Spiel nicht perfekt beherrscht, Regeln erklärt. Gut, es spart
Zeit, aber es können auch Fehlinterpretationen verteilt werden. Und bei den
Forschungen für diese Rezension musste ich mit Schrecken erkennen: es ist mir
selbst passiert. Ich habe falsch erklärt. Schäm. Nun ja, zu meiner Verteidigung
kann ich vorbringen, dass ich nicht allein war mit meinen Falschaussagen. Die
Diskussionen im Internet bestätigen das. Und jetzt bin ich klüger. Die
Spielregel hat schon ihre Schwächen (obwohl insgesamt schon meist verständlich
und sicher nicht die schlechteste die ich je gelesen habe).
 
Ein Beispiel: „Das Rätsel von Verona"
 
Regelzitat: "Derjenige Spieler, der am Ende des Spiels
auf dieser Leiste am weitesten fortgeschritten ist, d.h. der das wertvolle
Dokument entdeckt hat, erhält 4, 5, oder 6 VP, je nachdem ob seine Scheibe das
vierte, fünfte oder sechste Feld auf der Leiste erreicht hat." Das kann so
nicht stimmen: die Verona Leiste am Spielplan besteht aus 10 Feldern. Das erste
Feld ist mit 4, das vierte Feld mit 5 und das neunte Feld mit 6 beschriftet.
Die restlichen Felder sind unbeschriftet. Es ist klar, dass offensichtlich die
Felder mit den entsprechenden Zahlenbeschriftungen gemeint sind, aber so steht
es nicht in der Regel. Gut das wäre ja kein Problem, aber es lässt doch Zweifel
keimen, wie wörtlich die Regel dann insgesamt genommen werden kann und es gibt
einige Stellen die unklar und wörtlich genommen durchaus fragwürdig sind.
 
Noch ein Beispiel für eine solche Unklarheit ist beim Rätsel
von Verona zu finden. Es heißt: "Ein Spieler, dessen Figur in einer der blauen
Zonen in Norditalien ihre Bewegung beginnt oder beendet, kann für jede
aufgewendete Aktion (...)" auf der Verona Leiste vorrücken.
 
Man kann das durchaus so auffassen, dass es ohne Bewegung
nicht erlaubt ist in die Verona Leiste zu investieren, auch wenn sich die
Spielerfigur in der blauen Zone befindet. Diese könnte ja aus der vorigen Runde
noch dort sein. Der Unterschied ist groß, da die zusätzliche Bewegung von blau
nach blau oder von blau wo anders hin eine Aktion kostet, die man vielleicht
besser nutzen möchte.
 
Die unglückliche Formulierung „ein Spieler dessen Figur in
XYZ ihre Bewegung beginnt oder beendet" kommt in der Regel gefühlte 100
mal vor. Das hat in uns die obige Interpretation gestärkt all diese Aktivitäten
seien doch tatsächlich ohne Bewegung nicht möglich. Was die Züge wirklich
erschwert. Und es ist falsch. Die Klarstellung (ich beziehe mich bei
Klarstellungen auf Michele Quondam – als Editor in der Regel angeführt – aus
dem Internet, zitiere aber nicht wörtlich): alle Aktivitäten die an einen Ort
gebunden sind, können gemacht werden, wenn sich die Spielfigur an diesem Ort
befindet (selbstverständlich unter der Voraussetzung eventuelle andere
ortsunabhängige Bedingungen sind ebenfalls erfüllt). Nix Bewegung. Basta. So
einfach ginge es auch.
 
Ich vermute diese Formulierung ist aus Testspielen
entstanden in denen Schlaufüchse im Zuge einer Bewegung über 3 oder mehr Zonen
so „en passant" die Vorteile aller dieser Zonen mit abräumen wollten. Nun
ja.
 
Ach, die Bewegung. An der leidet die Regel am meisten. Vor
oder nach der Bewegung etwa ist eine „Interaktion mit einer Zone der
Karte" möglich. Ist dieses „oder" jetzt inklusive oder exklusive?
Große Frage, große Diskussion in den Foren. Die Klarstellung: Man beginnt den
Zug in einer Zone und kann alles machen was diese Zone so zu bieten hat.
Während des Zuges ist maximal eine Bewegung erlaubt. Dann ist man in einer
anderen Zone. Und jetzt kann man alles machen was die neue Zone erlaubt. Ist
eigentlich ganz einfach. Aber so steht es nicht in der Regel. Dass eine weitere
Bewegung im gleichen Zug dann nicht mehr erlaubt ist, wäre damit eigentlich
schon klar, aber das könnte man bei der Beschreibung der Bewegung noch mal
betonen. Folglich kann man also als Siegpunkteoptimierer  pro Zug maximal 2 Zonen
ausquetschen oder sich an den schönen Dingen von maximal 2 Zonen erfreuen, wenn
man ein Schöngeist ist. Ein „und" wäre eindeutig gewesen. Ich glaube
nicht, dass damit jemand auf die Idee verfiele eine Bewegung wäre nur dann
möglich wenn beide Zonen auch noch was böten. Das wäre ein deutlich geringeres
Risiko zur Fehlinterpretation.
 
Und außerdem: man kann dann auch wirklich ALLES machen was
die Zone zu bieten hat! So ist es bei einem Aufenthalt in Rom möglich die
Stadtvorteile und das Ereigniskärtchen (falls vorhanden) beide unmittelbar
hintereinander zu nutzen, egal wann und wie man nach Rom gekommen ist. (Auch
das ist ein von uns und vielen anderen falsch gespieltes Detail).
 
Noch ein wunderbares Beispiel für unklare Regeln und auch
Mängel auf dem Spielplan: „Der Botschafter"
 
Für die Botschafter Leiste braucht ein Spieler insgesamt 8
investierte Aktionssteine um seinen Markerstein an deren Ende zu bringen. Pro
investiertem Aktionsstein macht der Marker einen Schritt vorwärts. Das hat
meist keine zusätzlichen Voraussetzungen, kann also immer erfolgen wenn man an
der Reihe ist. Nur eine Ausnahme: für den letzten Schritt muss man außer dem
Aktionsstein auch  noch 2 Äbtissinnen abgeben und 20 Ducati an die Bank zahlen.
So weit so gut. Der Schönheitsfehler: am Spielplan ist nur EIN gelber
Äbtissinnen-Stein abgebildet. Und der Text „10-20" neben dem Symbol für
die Ducati. Tja. Das war wohl ursprünglich anders geplant oder ist auf dem Plan
einfach falsch. Für das „10-20" gibt es eine Erklärung: macht man diesen einen
letzten Schritt bis einschließlich Runde 7 dann gelten die oben angeführten
Zusatzkosten. Ab Runde 8 sind diese Zusatzkosten auf einen Äbtissinnen-Stein
und eben 10 Ducati reduziert. Die Abhängigkeit zu den Runden ist aber nicht
symbolisiert und 2 Äbtissinnen-Steine sieht man nirgends.
 
Nun gut: und wozu dient der ganze Aufwand? Nur wer die
Botschafter Leiste bis zu deren Ende durchgespielt hat darf anschließend in
dieser oder einer späteren Runde den Vorteil von Bologna nutzen. Seine
Spielfigur muss dann dafür in Bologna sein. Der Lohn sind 15 (Fall A bis Runde
7) oder 10 (Fall B ab Runde 8) Schritte vorwärts auf der Wissensleiste. Ich
konnte keine Antwort darauf finden, ob für den Fall A auch der Besuch in
Bologna bis spätestens Runde 7 erfolgen muss um die 15 Wissensschritte zu
kassieren. Ich denke aber, das wäre zu streng. Wenn jemand 2 Äbtissinnen und 20
Ducati opfert, soll er auch die 15 Wissensschritte haben, auch wenn sich der
Besuch in Bologna noch verzögert. Selbstverständlich gibt es ohne diesen Besuch
gar nichts.
 
Noch eine Klarstellung: „Die päpstliche Bibliothek"
 
Diese Aktionsleiste und damit Aktion kann erst ab Runde 12
gespielt werden. Wie bei allen Leisten muss man pro Schritt auf der Leiste
einen Aktionsstein opfern. Es gibt 8 Felder. Das erste mit 1 das vierte mit 2
das sechste mit 3 und das achte mit 4 beschriftet. Es gibt 8 „Päpstliche
Bibliothek-Kärtchen" mit geheimen 2, 3 oder 4 Siegpunkten. Ist also ein
Glücksfaktor dabei. Wenn man das erste Feld mit der 1 erreicht (was nur einen Aktionsstein
erfordert) bekommt man das oberste Kärtchen, nimmt es hinter seinen Sichtschirm
und hat diese Punkte am Ende. Soweit ist die Regel klar. Nachdem man am
Spielende maximal ein solches Kärtchen haben darf, war es das aber auch. Wozu
sollte ich noch mehr in diese Leiste investieren? Wir haben viel gerätselt wozu
es da noch weitere Felder auf einer Leiste gibt, aber keine befriedigende
Interpretation gefunden. Die Klarstellung: das Nehmen des Kärtchens ist eine
„Kann"-Bestimmung. Man kann auch erst beim Feld mit der 2, 3 oder gar 4
ein Bibliothek-Kärtchen nehmen. Der Vorteil: dann nimmt man die entsprechende
Anzahl von Kärtchen vom Stapel, sucht sich das Beste aus und legt den Rest in
beliebiger Reihung wieder zurück. Klarerweise ist ab diesem Schritt eine
weitere Investition in die Leise sinnlos. Ob es sich wirklich rechnet die
Wahrscheinlichkeit auf mehr Punkte zu erhöhen kann ich schwer abschätzen.
Allerdings habe ich schon beobachtet, dass es insbesondere gegen Spielende
öfters vorkommt, dass man Aktionspunkte nicht mehr wirklich sinnvoll
verbrauchen kann. Dann wäre das eventuell eine Erwägung wert. Allerdings habe
ich in keiner meiner 4 Partien erlebt, dass ein Spieler das auch gemacht hätte.
Uns war das immer nur einen Aktionsstein wert.
 
Beim Spielplan gibt es weiteres Verbesserungspotenzial.
Insbesondere ein Spiel mit so vielen Details wird durch entsprechende
Merkhilfen erleichtert. Es wäre sehr hilfreich die auf bestimmte Spielrunden
bezogenen Änderungen auch graphisch auf der Spielrundenleiste darzustellen.
 
Die schon abgehandelte Abhängigkeit der Botschafter Leiste
von den Runden etwa.
 
Oder etwa die Almosen an Bettelmönche und Kardinäle, die ab
Runde 12 ersatzlos eingestellt werden. Von der Regel her klar und eindeutig.
Aber zu Beginn von Runde 12 vergessen, und schon kassieren die Herren der
Kirche fleißig weiter! Sehr zum Nachteil der verbliebenen Kaufmänner was deren
Chancen auf den Sieg durchaus schmälern kann. Bei diesem Problem kann man sich
aber leicht selbst behelfen: sobald der erste Spieler in die Mönchskutte
schlüpft legt man auf der Rundenleiste von der nächsten Runde bis
einschließlich Runde 11 je eine beliebige Münze aus der Bank. Bei einer neuen
Runde kommt die Münze zurück und das leitet die Almosenphase ein. So wird diese
nicht vergessen und man hat einen guten Überblick wie viele Almosen noch
kommen.
 
Wenn man Adelige in seinen Einflussbereich einbezieht
(sprich: einen schwarzen Adeligen-Stein an sich nimmt) kann man diesen nur hier
und jetzt statt hinter seinen Sichtschirm auch gleich wieder abgeben und dafür
20 Ducati kassieren. Eindeutig und klar aber keine entsprechende Merkhilfe beim
Aktionsfeld für Adelige und damit schon wieder leicht vergessen.
 
Die Tatsache dass alle Franziskaner-Städte in den Runden 15
und 16 aktiv sind wird durch ein Franziskus-Symbol neben diesen Runden
angezeigt. Sehr löblich. Allerdings findet sich dasselbe Symbol auch bei Runde
14 was falsch ist. Pech. Nun habe ich allerdings herausgefunden, dass wohl nur
die deutsche und die französische Regel diese Eigenschaft auf die Runden 15 und
16 beschränken. Die italienische (und damit die Urversion!) und auch die
meisten anderen Sprachen legen für die gleiche Sache die Runden 14 bis 16 fest.
Man kann also guten Gewissens die Symbole des Planes als solche gelten lassen
und die Regel entsprechend korrigieren.
 
Ein Fehler hat sich auch auf den Sichtschirmen
eingeschlichen: die gesammelten Äbtissinnen, Adeligen und Politiker in Form von
Spielsteinen habe unterschiedliches Gewicht bei Wahlen: Politiker haben 3
Stimmen, Adelige haben 2 Stimmen und Äbtissinnen nur eine Stimme. Nun ja, die Frauenemanzipation
war auch noch in weiter Ferne. Diese unterschiedlichen Stimmgewalten werden bei
verschiedenen Anlässen gewertet, sind aber immer in dieser Art verteilt. Leider
auf den Sichtschirmen falsch angeführt. Sollte man dort ausbessern. Ansonsten
geben die Sichtschirme einen brauchbaren Überblick über die Abschlussphase am
Spielende: wofür man wie viele Volgare-Punkte bekommt. Allerdings fehlt ein
Hinweis auf die zusätzlichen 5 Volgare-Punkte wenn sich alle 5 Sprachen bei den
Manuskripten finden.
 
Ich habe auch noch einen Vorschlag für eine kleine
Regeländerung: laut Regel beginnt jeder Spieler auf der Wissensstufe 1. Damit
ist es möglich ohne Investition in das Wissen sofort ein Manuskript der Stufe 1
abzugreifen. Die Spielerreihenfolge ist allerdings rein zufällig und damit der
Startspielervorteil unverdient gegeben. Einen Ausgleich dafür gibt es zwar bei
der Wahl der Start-Zonen, aber das kann man noch damit ergänzen, die Steine der
Wissensleiste einen Schritt weiter rechts zu platzieren. Damit starten alle
Spieler ohne Wissen. Will also ein Spieler ein Manuskript haben, muss er
bereits in Wissen investieren und kann nicht bequem hocken bleiben und auch für
die nächste Runde seine gute Startposition haben ohne dafür einen Nachteil in
Kauf nehmen zu müssen. Mir hat diese Variante gefallen. Sie sorgt schneller für
Veränderungen auf der Wissensleiste und damit für mehr Dynamik in der
Spielerreihenfolge.
 
Abschließend möchte ich noch klar und deutlich zum Ausdruck
bringen, dass mir trotz all meiner Kritikpunkte (die ja nur Regel und
Merkhilfen betreffen) DVE ausgesprochen gut gefällt. Es ist eine Taktikspiel,
das vor allem davon lebt, im hier und jetzt aus der Situation das Beste zu
machen. Gewürzt mit einigen strategischen Elementen wie dem Einfluss auf die
Spielerreihenfolge (was auch durch Faulenzen möglich ist!), dem Vorausplanen
der Reiseroute oder der schon erwähnten Planung des eigenen Wissens. Wer sich
nicht an der durchaus gegebenen Abhängigkeit von den Mitspielern, der nötigen
Portion Glück und den komplexen Regeln abschrecken lässt, kann mit DVE eine
vergnügliche Spielerfahrung machen.
 
DI Wolfgang Lehner
 
Spieler         : 2-5
Alter            : ab 14 Jahren
Dauer           : ca. 120 +
 
Autor           :  Mario Papini
Grafik          : Lamberto Azzariti, Guido
Favaro, Eva Villa
Preis            : ca. 40 Euro
Verlag          : Lookout Games
 
Genre          : Punkteoptimierungsspiel
Zielgruppe    : Expert
 
Sprache        : de
Regeln         : de en es fr it
Text im Spiel : nein
 
Kommentar:
Sehr komplexe Regeln, manchmal unklar
Spieldauer und Spielablauf stark beeinflusst von der
Spieleranzahl
Sehr viele Gewinnstrategien
 
Vergleichbar:
Vinci, Agricola
 
Meine Bewertung: 5
 
Wolfgang Lehner:
Ein Spiel mit vielen Regeln und Details das aufgrund der
daraus resultierenden vielen Entscheidungsvarianten reizvoll ist.
 
Zufall                            1
Taktik                  3
Strategie__                  2
Kreativität          
Wissen_              
Gedächtnis         
Kommunikation  
Interaktion                   1
Geschicklichkeit 
Action